Hamburg. Zugegeben, es war nur der Projektor der Fantasie, der beim Konzert von Asif Ali Khan & Party am Sonnabend in der Kulturkirche Altona bei "Lux aeterna" manchmal unscharfe Bilder eines sufistischen Heiligtums in die schöne norddeutsche Nüchternheit des ehemaligen christlichen Gotteshauses warf. Aber in den entrücktesten Momenten der verschlungenen Gesänge und Rhythmen schien es, als flirrten plötzlich arabische Schriftzeichen mit Versen Rumis über die schlicht verputzten neogotischen Bögen hinter den neun Sängern und Musikern, und das solide Backsteinrelief über den Bögen verwandelte sich in eine filigrane orientalische Schnitzerei aus Holz.

Wie entgrenzend auch auf westliche Ohren der Qawwali wirken kann, jene heute hauptsächlich in Pakistan gepflegte, jahrhundertealte Musik-Tradition der Mystiker des Islam, lernten wir zuerst in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts von Nusrat Fateh Ali Khan, der (auch) dank Peter Gabriel zu einem Megastar der Weltmusik wurde. In Nusrats letzten beiden Lebensjahren, er starb 1997, war Asif Ali Khan einer seiner wenigen Meisterschüler. Asifs Familie singt seit 350 Jahren Qawwali, der Vater, Brüder, Cousins musizieren mit ihm auf der Bühne. Entsprechend dicht geriet das heilige musikalische Gewebe, das die neun eng beieinandersitzenden Männer lediglich mit ihren Stimmen, Händeklatschen, zwei Handharmoniums und wirbelnden Tabla-Rhythmen entspannen.

Vieles in den ekstatischen Gesangsgebeten entsteht im Augenblick. Man denkt bei den Wechselgesängen an Vorsänger und Chor, das gibt es ja auch bei uns. Aber dieser Qawwali ist viel weniger statisch, viel weniger vorhersehbar. Und über allem thront, tanzt, brennt wie das innere Feuer die unbeschreiblich schöne Stimme des Solosängers. Sie lässt an den Duft der mekkanischen Rose denken und kann doch auch schreien wie ein verliebter Esel. Asif schraubt sie in höchste Höhen hinauf, mit rasenden Silbenwirbeln macht er sie zur singenden Trommel. Grandios.