Das russische Theaterstück ließ bei den Lessingtagen viele Besucher ratlos zurück

Hamburg. Was für ein Zirkus. Die ganze Bühnenmaschinerie ist in Bewegung. Permanent dampft es, dröhnt es, bewegt sich etwas, geben riesige trapezförmige Silos ihr reiches Innenleben preis. Der "Circo Ambulante", ersonnen von den russischen Theatermachern Andrej Mogutschi und Maxim Isaev und ihrem Theater der Nationen versprach beim Lessingtage-Gastspiel im Thalia Theater ein großes Spektakel, geriet dann aber zunehmend zu einer Seltsamkeitsnummer unter viel Patina und Kunstgewerbe.

Dabei hat der Stoff das Zeug zur Schreckens-Offenbarung. Was wohl mal ein Metall-Kombinat war, ist nun eine Insel-Garnison zur Erlangung der Unsterblichkeit, verordnet von einem ominösen Oberkonduktor, der glaubt, diese mithilfe entnommener Stier-Hoden erlangen zu können. Eine Horde Arbeiterinnen auf der Insel erledigt dazu die Drecksarbeit. Jede hat ihre eigene traurige Geschichte. Ein Kind ist allein. Ein Mann stirbt. Maria, eine Art weiblicher Don Quixote, begibt sich auf einen Feldzug gegen das autoritäre Machtgeflecht. Ein neuer Zirkus soll die Rettung bringen.

Am Ende stellt sich heraus, dass die Inselbewohner in Wirklichkeit Verstorbene sind. Spätestens jetzt erinnert diese Geschichte verdächtig an das gegenwärtige Russland, eine Demokratie mit totalitärem Subtext. Auf der Bühne bringt die gnadenlose Idealistin Maria das faule System zu Fall. Eigentlich eine aufrechte, mutmachende Geschichte, nur leider inszenatorisch ähnlich rückwärtsgewandt wie das System.

Die russische Community genoss den Abend, überschüttete die Hauptdarstellerin, in ihrer Heimat ein politisch streitbarer Superstar, mit Devotionalien, bei anderen Besuchern herrschte eher Befremden. Eine relevante Idee zur rechten Zeit alleine schafft eben noch kein Theater.

Das Finale der diesjährigen Lessingtage geht am 9. Februar über die Bühne des Thalia Theaters. Unter dem Motto "Von Freiheit und Schicksal des Menschen" werden mit Texten und Musik verschiedene Lebensentwürfe beleuchtet. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob der Mensch sich in seinem Handeln wirklich frei entscheiden kann oder ob ihn der Zufall, das Schicksal oder vielleicht gar eine höhere Macht beeinflussen.

"Um alles in der Welt" - Lessingtage 2013: Lange Nacht der Weltreligionen 9.2., 18.00, Thalia Theater, Alstertor, T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de