Ein Festival für Bühnennachwuchs präsentiert bis zum 16. Februar auf Kampnagel Aufregendes aus Theater und Performance.

Kampnagel. Beim Thema Selbstausbeutung, des sich selbst Verbrennens für eine künstlerische Aufgabe im Angesicht von Erfolgsdruck und prekären Verhältnissen, können Künstler wahrhaftig ein Wort mitreden. Es ist ihr tägliches Brot. Da kommt ein Festivalthema wie die Suche nach dem Ausbruch aus der neoliberalen Verwertungsgesellschaft gerade recht.

Entsprechend vielfältig sind die Einfälle, die die sieben deutschsprachigen Theaterformationen beim diesjährigen Festival Freischwimmer auf die Bühne bringen. Nach Stationen in Berlin, Wien, Zürich, Frankfurt und Düsseldorf präsentiert sich der Nachwuchs aus Theater, Performance und Live-Art vom 7. bis 16. Februar auf Kampnagel. Schon in den vergangenen Jahren gab es hier manchen Hoffnungsträger der Szene zu entdecken, weshalb ein Besuch und ein Einlassen auf das Unbekannte unbedingt lohnen.

Die Anforderungen sind heute für alle vielfach niederdrückend. Unter verdichteten Arbeitsbedingungen sollen wir gleichzeitig ein erfülltes Familienleben führen, die Gesellschaft bereichern, gesund leben, super aussehen und ständig top informiert sein.

In ihrem Live-Hörspiel "Ausbrennen - Songs von der Selbstverwertung oder Melodien für den Feierabend" (8.2., 21.30 Uhr, 9.2., 20 Uhr) reflektiert Luise Voight die alltägliche Bedrohung durch die Krankheit mit dem modischen Begriff "Burn-out" und bemüht den Imperativ der Spätmoderne: "Handle jederzeit so, dass die Zahl deiner Optionen immer größer wird." Je mehr Optionen, desto mehr Glücksversprechen, lautet die Devise. Texte wie "Einfach mal liegen bleiben. Pläne. Keine Pläne. Augenbrennen. Das schaffe ich alles nicht" montieren die Akteure anschaulich mit Reflexionen, Geräuschen und Musik zusammen.

Die Hamburger Performer Markus Schäfer und Markus Wenzel collagieren Auslassungen über das Christentum und den Stand der katholischen Kirche zu einer deftigen Wut-Litanei mit dem Titel "polis 3000: oratorio" (7.2., 9.2., jew. 20 Uhr). Sprache ist doch nur eine Illusion, behaupten Maurer & Brandstätter / Studio 5 in ihrer Performance "meaning meaning" (14.2., 19 u. 20 Uhr, 15.2., 19 u. 20 Uhr, 16.2., 21 Uhr) und laden in vielfältiger Gestalt Alltagsgegenstände mit neuer Bedeutung auf.

Am Beispiel der seinerzeit als richtungsweisend geltenden Frankfurter Küche von 1926 (die Urform der Einbauküche) erkundet Joonas Lahtinen in "Ein.Küchen.Bau" (7. bis 9.2., 14. bis 16.2., jew. 19 Uhr) die Synthese aus Leben, Kochen und Arbeiten. Ein Hauptproblem bei der zurzeit herrschenden Überforderung ist ja ein Zuviel von allem: Bildern, Texten, Musik. Sinnvolles Filtern wird immer notwendiger, aber auch schwieriger. In "Black or White" (15.2., 21.30 Uhr, 16.2., 20. Uhr) kämpfen die beiden Performer Lina Hermsdorf und Alexander-Maximilian Giesche als Giesche X Hermsdorf mit dem Fluch unüberschaubarer Zusammenhänge und dem verzweifelten Versuch der Reduktion.

Es gibt auch - mehr oder weniger ironische - Gegenbewegungen zur neoliberalen Verwertungsgesellschaft. Thom Truong befasst sich etwa in "Invest in me!" (16.2., 21.30 Uhr) mit der neuen globalen Unternehmerbewegung der Social Entrepreneurs, die die Aufhebung der Grenze zwischen Arbeit und Freizeit propagiert.

Fünf von ihnen stellen sich mit ihren Konzepten vor. "Man sollte nicht fliegen, keinen Take-away-Kaffee trinken, keine Pet-Flaschen in den Müll werfen, nicht alleine wohnen, nicht die Haare färben, nie baden, nur duschen, keine Katze und keinen Hund haben", fordert eine Performerin vom Podium herab, um Geld der Investoren für ihre Lebensidee an Land zu ziehen, eine Gesellschaft ohne Müll - ermöglicht durch eine abfallfreie Konfitüre, "Zero Waste Jam". Genügend frische Gedanken für aufregende Theaterabende.

Freischwimmer-Festival. Neues aus Theater, Performance und Live-Art 7. bis 16.2., Kampnagel (Bus 172/173), Jarrestraße 20-24, Karten 10,-/ erm. 8,-, Tagesticket (drei Vorstellungen) 15,-/ erm. 10,-, Festivalpass 25,-/erm. 12,- unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de

Entdecken Sie Top-Adressen in Ihrer Umgebung: Theater in Hamburg-Winterhude