Literarischer Vortragswettbewerb Poetry Slam war gestern - im Kiezclub Molotow erlebt am Dienstag der KlassikSlam seine Weltpremiere.

Molotow. Der Poetry Slam, der literarische Vortragswettbewerb, ist aus deutschen Veranstaltungskalendern längst nicht mehr wegzudenken. Seit ein gewisser Marc Kelly Smith 1986 im Green Mill Jazz Club zu Chicago (USA) diese Form des Dichterwettstreits kreierte, hat der Slam weltweit seinen Siegeszug angetreten. Immer mit zeitlicher Begrenzung und immer mit dem Publikum als Jury.

In mehr als 70 deutschen Städten wird inzwischen regelmäßig geslamt. Auch unter Liedermachern (Singer-Songwriter-Slam) oder in der Wissenschaft (Science Slam) hat der Wettstreit längst um sich gegriffen.

Aber in der Klassik? Wie wäre es, wenn nicht Lyriker, sondern klassische Instrumentalisten auf der Bühne gegeneinander anträten? Das dachten sich Sören Sieg und Kristina Patzelt. Kaum dass sie sich bei einer Wohnungsbesichtung in Hoheluft-West kennengelernt hatten, tauschten sie sich über ihre gemeinsame Idee aus und machten sich daran, sie umzusetzen. Er, der langjährige kreative Kopf, Tenor und weiterhin Arrangeur der Hamburger A-cappella-Comedygruppe LaLeLu, und sie, Hamburger Künstlermanagerin und Ausstellungsmacherin. Gemeinsam wollen sie die Klassik in die Clubs bringen. Und so feiert das Pilotprojekt KlassikSlam an diesem Dienstag seine Weltpremiere - im Molotow.

Ergo in jenem Kellerclub auf dem Kiez, in dem 1997 mit "Hamburg ist Slamburg" der erste offene Poetry Slam in der Hansestadt startete. Und in dem bis heute an jedem letzten Dienstag im Monat hoffnungsvolle Dichter für fünf Minuten auf aufmerksame Zuhörer und deren Gunst sowie eine Flasche Hochprozentiges als Siegprämie hoffen.

"Wir wollen versuchen, die Klassik aus der Erstarrung zu lösen", sagt Sieg. "Ich langweile mich oft selber bei klassischen Konzerten." Der Rahmen, etwa in der Laeiszhalle, sei oft altehrwürdig, die Präsentationsform sehr hausbacken, oft todernst. "Die Klassik ist eine Form von Elite", meint Sieg. Der freischaffende Komponist, der an der Musikhochschule studierte und ein halbes Dutzend Instrumente (u. a. Klavier, Geige) beherrscht, möchte das mit seiner Mitstreiterin ändern. "Kein Anzug. Keine Abendkleider. Und echte Gefühle", so werben Kristina Patzelt und Sören Sieg für ihr Projekt.

Beim Molotow-Chef Andi Schmidt, dessen Laden jüngst zum besten Livemusik-Club der Stadt gewählt wurde, rannten die beiden Klassik-Freunde damit offene Türen ein - frei nach dem Motto: je abgefahrener, desto besser. Und so könnten im Kellerraum am Spielbudenplatz außer Karrieren wie jene der Rockbands The White Stripes, Wir sind Helden oder Mando Diao womöglich auch mal die eines neuen Jewgeni Kissin oder einer neuen Sol Gabetta beginnen.

Bis zu neun klassische Instrumentalisten wirken bei der Weltpremiere mit. Sieben haben sich mit ihren Lieblingsstücken angemeldet - mit Werken von Mozart bis Messiaen. "Lustigerweise gibt es eine Konzentration auf Holz- und Blechbläser. Vielleicht, weil die sonst zu wenig Beachtung finden", mutmaßt Sieg, der noch auf spontane Zusagen von Streichern hofft.

Sieg selbst will alles andere als die erste Geige spielen, er möchte den Wettstreit mit seiner Co-Moderatorin auflockern. Das Alter der teilnehmenden Musiker liegt bis jetzt zwischen 18 und 28 Jahren. Als mehrmaliger Starter von "Jugend musiziert" ist Sieg selbst ein gebranntes Kind: "Als Jugendlicher gab es da fast mehr missgünstige Eltern als Teilnehmer."

Beim KlassikSlam entscheidet eine Publikumsjury über die besten drei. Die sollen dann im Finale mit Applausometer zu einem Thema wie etwa Abendstimmung an der Alster improvisieren. "Beethoven hat in seinen Konzerten ja auch auf Zuruf improvisiert", sagt Sieg. Für den Sieger gibt es, wie beim Poetry Slam, eine Flasche Alkohol - in diesem Fall ist es eine besondere: Wodka Prokofieff.

Wird der KlassikSlam vom Publikum, vom neuen und alten, auch nur halbwegs angenommen, soll er sich als weitere Reihe im Molotow etablieren. Das wäre dann echte Zukunftsmusik.

"KlassikSlam" Premiere Di 5.2., 20.00, Molotow (U St. Pauli), Spielbudenplatz 5, Eintritt 5,-; Bewerbungen unter klassikslam@gmail.com