Dichter, Sänger, Rentner: Helmut B. veröffentlicht mit 68 Jahren sein Debütalbum “Alt aber Gold“ auf Joja Wendts Label Nullviernull.

Hamburg. Zugegeben, der Warnhinweis auf dem Album "Alt aber Gold" ist schon etwas abschreckend. "Freigegeben ab 60 Jahren" steht da neben der Abbildung eines leckeren Katerfrühstücks - Kaffee in der Goldrandtasse, Sprudel und "Süddeutsche". Aber wer weiß, ob es in 24 Jahren noch Abspielgeräte für CDs gibt. Also eingelegt und angehört, bevor es zu spät ist.

"Alt aber Gold", veröffentlicht auf Joja Wendts Label Nullviernull, ist das Debütalbum des Hamburger Sängers und Dichters Helmut B., einem echten Newcomer. Bis dahin war er Experte in der Software- und Beratungsbranche, gründete ein eigenes Unternehmen, das 240 Mitarbeiter beschäftigte, und engagierte sich als Kulturmäzen, speziell für die Neue-Musik-Konzertreihe "Happy New Ears". Nun aber hat Helmut B. Zeit, seine eigenen über die Jahre verfassten Verse zu vertonen. Denn der Newcomer ist 68 Jahre alt. Jung. Alles ist nur eine Sache der Perspektive.

Die Texte, die Helmut schreibt, sind jedenfalls "Lieder über das Älterwerden, um vom Älterwerden abzulenken", wie der verschmitzte wie charmante Racker bei seiner Live-Albumvorstellung im Tonstudio von Joja Wendt erzählt. Im lässigen wie zeitgemäßen Bar-Jazz- und Akustik-Pop-Sound, komponiert und arrangiert von Hardy Kayser (Annett Louisan, Ina Müller), erhält der Alltag der Silbersurfer eine mal berührende, mal ironische Note. Der klassische Querulant, den jedes Kind krank macht und der seinen Überdruss bis zum bitteren Schluss auslebt, bekommt mit "Opa Schlimm" ebenso einen mit (in den Sarg) wie die vermeintlichen Kosmopoliten, die "Beim Italiener" mit Fantasie-Italienisch nerven.

Ein Meckerrentner, gefürchtet am Rand von Fußballplätzen und öffentlichen Grünflächen, ist Helmut aber gewiss nicht. Er zwinkert mit den Augen des sanften Humors. Und er zwinkert, weil er wie auch viele Jüngere vor dem Kinobesuch was vergisst? "Die Brille!!", sprich Lesebrille, Fernsehbrille, Weitsicht-, Gleitsicht-, Sonnenbrille. Und Kreislauftropfen, Adressbüchlein, Fahrradschlüssel. Menschen ab 60 waren schon eine "Suchmaschine", lange bevor es so etwas wie Google gab.

So "denke stets an die Gelenke, setz dich nicht auf kalte Bänke, sei bitte gut zu deinem Rücken, kau nur sanft auf deinen Brücken." Schließlich ist Helmut wie auch seine Generation "Alt, aber Gold". Die Zeit auf Erden ist spärlich, und so gilt es, sie zu nutzen. Gemeinsam mit Freunden, Kindern und Enkeln gibt es noch viel in der Welt zu entdecken, auch wenn diese Welt doch sehr "verdreht ist", wie Helmut im Duett mit Annett Louisan singt. Die junge, erfahrene Sängerin mit dem verträumten Flüstern und der Anfänger mit dem so sanften wie rauen Brummen.

"Alt aber Gold" soll aber keine Zustandsbeschreibung der breiten Spitze der Alterspyramide sein oder ein Ratgeber. "Es ist nur eine Berührung. Die sind so wichtig, deshalb liegt mir auch das Lied 'Darf ich bitten ...?' so sehr am Herzen", sagt Helmut. "In wacher Nacht denkst du noch stolz, wie du geprescht durchs Unterholz der Sümpfe, die wir Liebe nennen", flüstert er in "Darf ich bitten ...?". Diese Frage war seinerzeit oft die einzige Möglichkeit, Hautkontakt mit Damen aufzunehmen. Ein sanfter, höflicher Händedruck.

Aber Hautkontakt ist keine Frage des Alters, genauso wenig wie das Album "Alt aber Gold". Alles ist nur eine Sache der Perspektive. Schließlich ist Helmut B. jünger als Mick Jagger und Keith Richards. Der Warnhinweis "Freigegeben ab 60 Jahren" kann daher geflissentlich ignoriert werden.

Helmut B.: "Alt aber Gold" CD (Nullviernull) im Handel, www.helmut-b.de