Das Kinderbuchungeheuer kennt fast jedes Kind. Gezeichnet hat es der Illustrator Axel Scheffler, der seine Kindheit in Hamburg verbrachte.

Berühmt gemacht hat ihn ein Wesen mit grüner Warze auf der Nase und einer Zunge wie ein ausgeleierter Gürtel. So richtig hat sein Schöpfer Axel Scheffler bis heute nicht verstanden, wie sich der Grüffelo zum Lieblingsungeheuer einer ganzen Kindergeneration vorgedrängelt hat. Süß sei der schließlich nicht, sagt Scheffler. Süß klingt aus seinem Mund wie ein lustiges Schimpfwort. Gut 10,5 Millionen Mal hat sich die Grüffelo-Lektüre verkauft, das Monster grinst von Butterbrotdosen und Socken. Kaum ein Kleinkinderhaushalt, der nicht mindestens ein Bilderbuch des Kreativduos Axel Scheffler und Julia Donaldson im Regal hat. Kaum jemand, der in seiner Elternlaufbahn umhinkäme, das Kräftemessen zwischen dem Grüffelo und der cleveren Maus, die ihre Feinde einen nach dem anderen austrickst, in Dauerschleife vorzulesen. "Er hat knotige Knie, eine grässliche Tatze und vorn im Gesicht eine giftige Warze ."

Die englische Autorin Julia Donaldson hat die (Original-)Verse gereimt. Axel Scheffler hat dazu sattgrüne Bäume gemalt, eine Maus mit schlauen Kulleraugen und ebenjenes in seiner Hässlichkeit beinahe niedliche Monster. Leuchtend, plastisch und detailverliebt sind seine Zeichnungen. Aber nicht so überzuckert wie viele Kinderbücher, die sich beim Durchblättern anfühlen, als hätte man Karies auf der Seele. Nun schwebt Scheffler, seit der Grüffelo im Jahr 1999 den bis heute anhaltenden Siegeszug durch die Buchläden angetreten hat, keinesfalls mit vor Bestsellerstolz geschwellter Brust durchs Leben. Er huscht in das Café, sein Blick hüpft verlegen durch den Raum und erfasst ihn in drei, vier kurzen Einstellungen. Er trägt Sturmfrisur zum Rucksack Marke Bergsteigertour. Nach dem Gespräch wird er den Sack über die Schulter werfen und durch die Innenstadt schlendern, "Buchläden abklappern". Ein Hamburg-Ritual wie der Abstecher ins Museum, Treffen mit alten Freunden. Am 13. Januar hat er zudem eine Ausstellung seiner Zeichnungen im Karikatur-Museum in Hannover eröffnet.

Erinnert er sich noch gut an die frühere Heimatstadt? Klar, sagt Scheffler, der 1982 ins britische Corsham zog, um dort Grafik zu studieren, und vier Jahre später nach London ging. "Ich hatte eine gute, ziemlich durchschnittliche Sechziger-Jahre-Kindheit." Erst in Eimsbüttel, später in Blankenese. Mit Lurchi-Heften und Mickymaus-Comics, "nicht gerade anspruchsvoll, meine Kindheitslektüre". Die brodelnde Kaffeemaschine, die pausenlos Milch aufschäumt, ist lauter als seine Stimme. Laut sein, andere übertönen ist nicht so Schefflers Ding. Aber laut sein mit Farben, das kann er. Illustrator ist er unter anderem deshalb geworden, "damit ich nie Anzug und Schlips tragen muss". Man kann heute festhalten, dass ihm dieser Vorsatz komplett missglückt ist. Er durfte sogar im Buckingham Palace der Queen die Hand schütteln. Latzhose und Fleckenpulli waren selbstverständlich keine Option.

Scheffler redet überhaupt gerne von Dingen, die nicht nach Plan laufen. Sein Kunstgeschichtsstudium in Hamburg etwa, bevor er nach England ging. Das Akademische, das Betriebsgetue hat ihn bald verscheucht. Er wollte ja immer nur malen. Auch mit regelmäßigen Arbeitszeiten haut es nicht mehr hin, seit die Tochter vor fünf Jahren geboren wurde. "Sie versucht schon, mich nicht zu stören, wenn ich in meinem Arbeitszimmer bin. Aber sie schafft es nicht. Ständig braucht sie Schere, Radiergummi, Papier", sagt Scheffler, der noch jede Deadline eingehalten hat, wenn auch auf den letzten Drücker. "Es musste noch kein Drucker in Singapur auf mich warten." Wer dem Illustrator gegenübersitzt, spürt recht bald: Ein bisschen Chaos findet er ganz charmant. Er ist kein glatt gebügelter Lebenslauflangweiler, kein 100-prozentiger Kopfarbeiter, sondern Bauchmensch. Und ganz wichtig: Er hat eine Menge Humor. Das gilt fürs Leben und für das Zeichnen gleichermaßen.

Seit 20 Jahren bildet er ein künstlerisches Gespann mit Julia Donaldson. Sie schickt ihm ihre Texte, wenn sie ihm gefallen, malt er drauflos, Seite für Seite. Sonderwünsche? "Wenn das letzte Buch eine Waldgeschichte war und ich deshalb keine Bäume mehr malen kann, bitte ich Julia, ob die nächste Geschichte unter Wasser spielen kann", sagt Scheffler. Fragt man ihn direkt, gibt er zu, mit manchen Geschichten nur mittelglücklich zu sein. Etwa mit dem "Superwurm", die 2012 erschienene Heldensaga eines krabbelnden Alleskönners. "Würmer malen ist halt nicht besonders aufregend", sagt er achselzuckend. Aber sich selbst Geschichten ausdenken? Das könne er nicht. "Ich bin Illustrator. Wenn ich Geschichten schreiben könnte, hätte ich das längst getan." Wäre Tiefstapeln eine Wettkampfdisziplin, Axel Scheffler hätte locker Champions-League-Format.

Es gehört ohnehin nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, über die eigenen Bücher zu sprechen, lieber malt er das nächste. Bücher von den Hasenkindern "Pip und Posy" oder vom schlitzohrigen "Räuber Ratte" mit Cowboystiefeln und Säbelzähnen, der den Waldbewohnern den letzten Krümel aus der Tasche zieht. Freundschaft, Komplizenschaft ist ein großes Thema in seinen wild mäandernden Fantasiewelten, durch die animierte Holzstöcke oder Sumpfungeheuer hüpfen. Je abgedrehter, desto besser, sagt Scheffler.

Bei seiner Tochter, die dreisprachig aufwächst (Scheffler hat eine französische Lebensgefährtin), ist derzeit andere Lektüre angesagt als Papas Werk: Karlchen-Geschichten, die "Wilde Zwergen"-Reihe oder Bücher von Ole Könnecke, dem Illustrator und langjährigen Familienfreund aus Hamburg. Das Londoner Zuhause sehe jedenfalls aus wie eine Leihbibliothek, sagt Scheffler. Von Büchern spricht er nicht wie von Einrichtungsgegenständen, sondern wie von Freunden. Mit sanft brummender Stimme, die bestimmt eine prima Vorlesestimme ist.

Im Herbst erscheint eine neue Scheffler-Reihe für Grundschulkinder, "Die Grunzens" um eine chaotische Knollennasenfamilie, übersetzt von Harry Rowohlt. Man braucht kein Talent fürs Glaskugelgucken, um vorherzusagen: Sie wird erfolgreich werden. Und der Illustrator auch damit nicht Popstar-berühmt. Wieder keine Fanpost waschkörbeweise. Zum Glück, sagt Axel Scheffler. Schließlich schreibt er jedem Kind zurück. Manchmal malt er ein kleines Monster auf den Brief.

Ausstellung bis 21.4. im Karikaturmuseum Hannover, Di-So 11.00-18.00