“Achtung Deutsch“ zeigt mit der gelungenen Inszenierung multikultureller Befindlichkeiten in einer WG neue Seiten des Boulevardtheaters.

Hamburg. Mit Klischees und Vorurteilen zu spielen gehört auf der Boulevardbühne zum guten Ton und zum Handwerk. Das kann sogar gelingen, wenn es sich um das Thema Integration dreht. Dass Deutschland de facto ein Einwanderungsland ist, zeigt sich auch in der Inszenierung Martin Woelffers in der Komödie Winterhuder Fährhaus.

In "Achtung Deutsch" sagt ein Syrer als Teil einer fünfköpfigen Multikulti-Studenten-WG, wo es langgeht. Der perfekt deutsch sprechende Tarik Al-Hassan (Karim Cherif) hat vom Hauptmieter Henrik Schlüter (Erik Bouwer) die Wohnungshoheit übernommen, weil der im Skiurlaub ist. Als sich ein Vertreter der Wohnungsbaugenossenschaft (Siegfried Kadow) ankündigt, um "Familie Schlüter" zu überprüfen, führt das zu absurden Verwicklungen.

Karim Cherif, ehemaliges Ensemble-Mitglied am Wiener Burgtheater, verkörpert den um seine Einbürgerung fürchtenden Muslim ("Die schicken mich zurück nach Syrien, gerade jetzt!") ebenso überzeugend wie das deutsche "Familienoberhaupt": Tarik tauscht sein arabisches Gewand einfach gegen ein mit Bier bespritztes Feinripp-Unterhemd. Und seine französische "Frau" Virginie erscheint in der nun bayerisch-rustikalen Wohnung als "Vicky" statt im Nachthemd im Dirndl.

Die Hamburgerin Nina Bott, bekannt als Soap-Star ("Gute Zeiten, schlechte Zeiten"), gewinnt bei ihrem Theaterdebüt ihrer Rolle schön ironische Facetten ab. Zunächst als männerfixierte Studentin, dann als brave Bierholerin ("Bin ich unterwürfig genug?"), schließlich als Verführerin des fiesen Nachbarn (Helmut Krauss). Der weiß natürlich, dass auch Tariks und Virginies Mitbewohner Enzo (Alessandro Cabrese) und Rudi (Oliver Dupont) alles andere als Unschuldslämmer in einer RTL-2-tauglichen Family-Soap sind. Dupont aber sorgt im Wiener Dialekt als trinkfester Psychologiestudent im 38. Semester und als autistischer Sohn für die Brüller.

Ein Verdienst des österreichischen Autors Stefan Vögel. Dass sein Stück nicht ganz das Anfangstempo halten kann und die Story der gespielten Patchwork-Familie etwas konstruiert wirkt, scheint dem Thema geschuldet zu sein. Ein neues Licht auf den Boulevard wirft es dennoch.

"Achtung Deutsch" bis 10.3., Hudtwalckerstr. 13, Karten unter T. 48 06 80 80

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