NDR-Intendant Lutz Marmor erklärt im tide-Studio, wie das deutsche Fernsehen funktioniert, und verteidigt Til Schweiger

Hamburg. "Wie fühlt man sich als Dagobert Duck des deutschen Fernsehens?" Die Eingangsfrage von Hansjörg Schmidt, medienpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, an Lutz Marmor, NDR-Intendant und seit wenigen Wochen zudem Vorsitzender der ARD, provoziert Gelächter im gut besetzten tide-Studio auf dem Kunst- und Mediencampus. Sie ist als Anspielung auf Marmors langjährige Arbeit in den Abteilungen Finanzen und Rechnungswesen verschiedener Senderanstalten zu verstehen. Eine kontroverse Diskussion um das Thema "Kampf um Aufmerksamkeit - Wie sieht die Zukunft des Fernsehens aus?" soll sich daraus entwickeln, doch dazu fehlt der dritte Mann. Conrad Albert aus dem Vorstand der ProSiebenSat.1 Media AG ist verhindert, und so bleibt es bei einer Art Interview, das Schmidt mit Marmor führt, angereichert durch Fragen aus dem Publikum.

Spannend ist es trotzdem, denn Marmor plaudert aus dem Nähkästchen. Um die Zukunft des Fernsehens geht es dabei weniger als um die Herausforderungen der Gegenwart, angefangen mit dem neuen Rundfunkbeitrag. Sicherlich gebe es Frust wegen höherer Kosten, doch viele Leute zahlten jetzt auch durchaus weniger als vorher. Marmor empfiehlt "ein bisschen mehr Gelassenheit" - so auch beim Thema "Tatort". Ein Format, "um das uns alle beneiden". "Der föderale Gedanke der ARD ist hier zur vollen Blüte gekommen", schwärmt Marmor. Teure Schauspieler wie Til Schweiger zu engagieren, sei doch selbstverständlich.

Was die Zukunft der ARD angeht, ist Marmor durch und durch optimistisch: "Wir haben noch immer denselben Marktanteil wie vor zehn Jahren. Von bröckelnden Zuschauerzahlen kann keine Rede sein." Auf Trends wie Google TV und interaktives Fernsehen angesprochen, hält sich Marmor zurück. In großen Zeiträumen werde die technische Entwicklung zwar unterschätzt, bei kleinen Zeitspannen jedoch überbewertet. Marmor macht ausdrücklich klar, er wolle nicht als altmodisch wahrgenommen werden.

Darüber hinaus verweist er auf die Dauer der täglichen Mediennutzung. Fernsehen und Radio stehen nach wie vor auf Platz eins und zwei, erst an dritter Stelle folgt das Internet. Dass diese Rangfolge bei Jugendlichen vermutlich kopfsteht, tut Marmor ab, als hätten ARD und NDR sowieso längst aufgegeben, diese Bevölkerungsgruppe an sich zu binden. Schönfärbereien der Senderpolitik bleiben verständlicherweise nicht aus, doch davon abgesehen gibt sich Marmor ehrlich, natürlich und kritikfähig. "Man darf nie sein Publikum unterschätzen, und dazu neigen wir", sagt er. Kürzlich habe er eine Sendung des NDR gesehen, dessen Titel er lieber für sich behalte, und die Hände überm Kopf zusammengeschlagen. Gemessen an den Einschaltquoten habe das Publikum wohl dasselbe getan.