Köln. Meeresgott Poseidon erhebt sich aus wogenden Tüchern. Er hat schlechte Laune. Poseidon war aufseiten der Verlierer im Trojanischen Krieg und hat eine Menge Anhänger verloren. Plötzlich werden die Tücher weggezogen, Poseidon steht in Unterwäsche da. Es war schon mal leichter, ein Gott zu sein. Mit diesem Bild beginnt Karin Beier ihre letzte Inszenierung am Kölner Schauspielhaus, "Die Troerinnen des Euripides" in der Fassung von Jean-Paul Sartre. Im Herbst wechselt Beier ans Schauspielhaus in Hamburg.

Mit archaischen, wuchtigen Mythen hat sich die Intendantin oft auseinandergesetzt. Von den "Nibelungen" zum Start in Köln bis zu "König Lear", komplett mit Frauen besetzt, die nackt im Dreck dampften, kämpften und litten. Ähnlich körperlich-kreatürlich geht Karin Beier nun auch die "Troerinnen" an. Die Witwen der gefallenen Helden leben ebenfalls im Modder. Nichts ist von ihrer Heimatstadt geblieben, die Frauen warten darauf, von den siegreichen Griechen als Sklavinnen in alle Welt verschifft zu werden.

Die Griechen sind die Ausbeuter, Troja steht für die Dritte Welt. Helena argumentiert sogar, ihre den Krieg auslösende Untreue habe doch ökonomisch neue Chancen eröffnet, Menelaos solle sich mal nicht so anstellen. Da bekommt die Aufführung satirischen Biss, zumal sich Angelika Richter und Yorck Dippe eine Rhetorikschlacht liefern, die Politiker-Sprachhülsen in ihrer ganzen Unmenschlichkeit vorführt.

Dieser Szene nimmt Karin Beier allerdings viel von ihrer Wirkung, weil sie nicht dem Text vertraut, sondern ein deftiges Satyrspiel inmitten aller Trauer zeigen will. Menelaos befragt das Publikum wie in einer TV-Show, ob er Helena gleich oder lieber in Griechenland abmurksen soll. Während die Schöne sich den Rock hochpusten lässt und "Happy Birthday, Mr. President" singt. Ein Abrutsch ins Ausgelutschte, wie er Beier in den letzten Jahren kaum passiert ist. Große Stärken hat die Aufführung in den Klagemonologen der Hekuba (Julia Wieninger) und in den Szenen mit Hektors Gattin Andromache. Lina Beckmann spielt die Entwicklung dieser Frau vom Raubtier zum Elendshaufen, der sich nicht mal mehr auf den Beinen halten kann. Psychologisch, voller Zwischentöne, überwältigend.

Eine Aufführung, die zweifellos hohes Niveau hat, aber auch viel Bekanntes bietet. Viele Elemente aus Karin Beiers Kölner Inszenierungen fließen zusammen, als wolle sie ein Resümee ziehen, bevor sie alle Energien auf die Übernahme des Hamburger Schauspielhauses konzentriert.