Der solide “Tatort: Kaltblütig“ mit Anna Loos erzählt vom Mord an einer jungen Frau und von der unheilvollen Macht der Gefühle.

Wenn die Sache mit diesen Beweisen nicht wäre, hätten Kommissare eigentlich einen ganz entspannten Job. Da gibt es eine Tat, dann einen Verdacht, einen Täter, ergo: einbuchten. Aus die Maus. Wäre da nicht der lästige Rechtsstaat, der in dem "Tatort: Kaltblütig" mal wieder in Person einer um Korrektheit bemühten Staatsanwältin auftritt: Es ist Donnerstag, und bis Montag hat Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) Zeit zu beweisen, dass der nach Indizienlage glasklar Hauptverdächtige doch unschuldig ist. Was Odenthal glaubt, aber eben nicht beweisen kann. Halt nur ein Gefühl.

Mit den Gefühlen ist das - neben den Beweisen - auch so eine Sache in diesem "Tatort" von Autor Christoph Darnstädt und Regisseur Andreas Senn. Eigentlich geht es um nichts anderes als Gefühle, verletzte Gefühle, ganz alte und auch ein paar ganz neue und auch einige, die in die Irre führen. Was die junge Polin Roza natürlich nicht ahnen kann, als sie sich gleich anfangs hinter das Steuer ihres roten Sportflitzers klemmt, um kurz darauf an einem Baumstamm ihr Leben auszuhauchen. Das tödliche Ende einer Spritztour, die Bremsleitungen waren manipuliert.

Roza war die Geliebte des Firmenchefs Frank Brenner (Götz Schubert), und sie war schwanger von ihm. Beide planten eine gemeinsame Zukunft, sie suchten nach einem schnuckeligen Eigenheim irgendwo im Ländlichen. Für Frank ein gewaltiger Schritt, schließlich wohnt er noch mit seiner Ex-Frau Katharina (Anna Loos) zusammen, obwohl sie seit sechs Jahren geschieden sind. Eine undurchsichtige Beziehung, die beide verbindet, dunkle Gefühlswelten offenbar. Zumal Katharina, die mit Frank gemeinsam die Firma führt, kurz nach Rozas Tod unverhohlen ihren Ex-Mann der Tat verdächtigt. Was sich in der Firma allerdings niemand so recht vorstellen kann - viel zu glücklich soll Frank mit Roza gewesen sein. Und Brenner, konfrontiert mit den Vorwürfen, schweigt mit einer ans Schmerzhafte grenzenden Verbissenheit.

Lena Odenthal und ihr Assistent Mario Kopper (Andreas Hoppe) sind den Genregesetzen folgend erst einmal ratlos, Kopper wird kurz darauf gar maulig: Er will lieber "Vorhang runter" (Feierabend machen) und "mit den Jungs rocken" ("Wish You Were Here" spielen). Und rocken kann Hoppe, da braucht er sich hinter den Kollegen Stoever und Brockmöller nicht zu verstecken. Offenbar beginnen Kommissare nach einer gewissen Zahl von Dienstjahren wie selbstverständlich zu singen. Allein: Rockmusik mag die Welt verändern, einen Kriminalfall löst sie nicht.

So fließt die Handlung dahin wie ein langer, ruhiger Fluss - mal ist jener verdächtig, dann wieder diese, ohne dass es Beweise für das eine wie das andere gäbe, während die Kommissare ins Kino gehen und ein Festgenommener sich die Stirn an der Zellentür blutig schlägt. Ein psychologisch recht fein gesponnenes Kammerspiel entwickelt sich daraus, eher betulich inszeniert, gleichwohl nicht ohne Spannung, die allerdings hier und da ein kleines Fragezeichen auf der dramaturgischen Folie hinterlässt. Erst gegen Ende nimmt die Geschichte mit diesen traumatisierten Gestalten Fahrt auf und beschert einige Volten, die zu einem schlüssig komponierten Finale führen.

"Kaltblütig" ist ein solider "Tatort" mit einem Ermittlerduo, das wunderbar schrullig agiert wie ein altes Ehepaar, und einer schön abgründigen Anna Loos. Wer allerdings an Truman Capotes Roman "Kaltblütig" und die Verfilmung von Richard Brooks aus dem Jahr 1967 denkt, sollte diesen Gedanken nicht zu Ende denken. Zwischen beiden Filmen liegen Welten.

Was man nicht beweisen muss. Einfach nur anschauen.

"Tatort: Kaltblütig" So 20.15, ARD