Österreicher Andreas Schager, gepriesen als Entdeckung unter den Interpreten des Komponisten, singt am Sonntag “Rienzi“ in Hamburg.

Hamburg. Wagner-Tenöre sind blonde Hünen, bringen mindestens drei Zentner auf die Waage und tragen Bärenfell. So geht jedenfalls, geringfügig übertrieben, das Klischee. Auf Andreas Schager passt es nicht entfernt. Den könnte man eher für einen Skilehrer halten, wie er federnden Schrittes zum Interview kommt, eine sportlich-adrette Erscheinung. Und Humor hat er auch: Als er auf dem Weg zum Café im Dauerniesel die Staatsoper übersieht, zuckt er zusammen, als ärgerte er sich über sich selbst - dann lacht er und sagt im schönsten Wiener Tonfall: "Ich sehe nur Sterne!" Die sind nämlich innen auf den Regenschirm gedruckt, den er in seinem Apartment gefunden hat.

Zum Ärgern hätte Schager ohnehin keinen Grund. Er kennt Hamburg schließlich kaum, in der Staatsoper selbst ist er noch nie gewesen. Am Sonntag singt er die Titelrolle in Wagners früher Oper "Rienzi, der Letzte der Tribunen". Aber da das Stück wegen seiner dramaturgischen Hänger und vor allem seiner Länge als unaufführbar gilt, hat Staatsopernchefin Simone Young die sechs Stunden Spieldauer auf rund drei eingekürzt und dirigiert die Oper konzertant in der Laeiszhalle. Dort laufen gerade die Endproben, ihretwegen ist Schager überhaupt mal ein paar Tage am Stück in der Stadt. Vorher pendelte er zwischen Hamburg und Meiningen, wo er gerade den "Tristan" singt. Ein ganz schönes Pensum.

So ist das eben, wenn man als Sänger Erfolg hat. Und Schagers Erfolgskurve zeigt im Moment steil nach oben; die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" feiert ihn als "die unverhoffte Entdeckung eines neuen, jungen, starken, leuchtenden Wagnertenors". Ob ihn solche Hymnen unter Druck setzen? "Ach, Druck soll man sich nicht selber machen", sagt Schager zwischen Milchkaffee und Croissant mit jener Gelassenheit, deren ein Preuße vermutlich genetisch unfähig ist. "Natürlich ist die Verantwortung größer, je größer das Haus ist. Aber ich gebe immer mein Bestes, ganz egal wo ich gerade singe."

Deshalb hält Schager dem Meininger Theater die Treue. 2011 hat er dort den "Rienzi" erstmals gesungen, kurz darauf bekam er einen Einspringer an der Deutschen Oper in Berlin. Angesichts des nahenden Wagnerjahres 2013 haben die Opernhäuser das sperrige Werk doch mal programmiert. Nur haben die Rolle nicht viele Tenöre drauf. Diese Chance hat Schager genutzt: "Das war der Beginn meiner Karriere", erzählt er.

Seiner zweiten Karriere, müsste man präzisieren. Mit seinen 41 Jahren kann Schager auf eine solide Laufbahn als lyrischer Tenor zurückblicken, mit Mozart-Opern und viel Operette. Was 2011 anfing, war Schagers Karriere in einem anderen stimmlichen Fach: sein Leben mit Wagner. "Die Kraft seiner Musik zieht mich magisch an", sagt er. "Sie ist so deutlich auf Sprache hin komponiert. Ich bin ein Fan von diesen Blechbläserklängen, von diesen Streicher-Klangteppichen."

Der "Rienzi" ist eine ähnlich monströse Partie ist wie der berüchtigte Siegfried im "Ring". Zu der Figur, dem päpstlichen Notar, der das römische Volk mit seinem Redetalent auf sich einzuschwören versteht und daran zugrunde geht, hat Schager ein ambivalentes Verhältnis. "Man darf nicht vergessen, dass das Stück Diktatoren inspiriert hat." Vor allem Hitler.

Andere würden sich über solche Zusammenhänge vielleicht weniger Gedanken machen. Schager aber hat Theologie und Geschichte studiert, bevor er eher zufällig ans Singen geriet. Dass man eine Karriere auch planen kann, das hat er erst von seiner Freundin gelernt. Sie hat ihm vorhergesagt, dass er mit seiner Stimme bald Heldenrollen singen würde. "Das hat mich erst mal überrascht." Ein Bärenfell hat er für den Fachwechsel aber nicht gebraucht.

"Rienzi" 13.1., 18.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz. Karten zu 18,- bis 119,- unter T. 35 68 68, www.staatsoper-hamburg.de

Weitere Aufführungen 16. und 18.1., jeweils 19.00, Laeiszhalle.