Anfang Februar wird Abbi Hübner aus Rahlstedt 80. Feiern wird der Trompeter bereits am Sonnabend bei einem Konzert in der Laeiszhalle.

Hamburg. Der Treppenaufgang ist tapeziert mit Fotos, die meisten in Schwarz-Weiß. Die Aufnahmen zeigen einen jungen Trompeter im Duett mit anderen Bläsern. Es gibt Gruppenbilder mit freundlichen Umarmungen und diesem Lächeln, wenn der Fotograf fordert: "Sagt mal ,cheese'". Der Mann mit dem Horn und dem freundlichen Lachen heißt Abbi Hübner. Die Bilder sind Ausdruck einer Infektion, das Virus heißt Jazz. "Er sprang mich an wie ein wildes Tier und hat mich nie wieder losgelassen", sagt er. Der Sound, der sein Leben bestimmen sollte, schallte aus einem alten Radio in der Küche seiner Mutter und wurde aus der kleinen Musikhalle gesendet. Dort saß nach dem Zweiten Weltkrieg der Sender British Forces Network (BFN) und erfüllte Wünsche der in Deutschland stationierten englischen Soldaten. "Moderator war damals Chris Howland", erinnert Hübner sich.

Diese von den Nazis als "entartet" bezeichnete und verbotene Musik zu hören war das eine. Doch der am 4. Februar 1933 geborene Oberschüler aus Rahlstedt wollte selber Jazz machen. So spielen wie Louis Armstrong, King Oliver und all die anderen amerikanischen Musiker. Geld war für den Halbwaisen und seine Mutter knapp, Briketts wichtiger als eine Trompete. Doch Hübners Mutter schenkte ihm Ende 1951 ihr Weihnachtsgeld in Höhe von 65 Mark, und er klapperte tagelang sogenannte Tauschgeschäfte ab. "In Otto Tittmanns Laden am Neuen Steinweg fand ich eine Trompete in einem großen schweren Instrumentenkoffer. Auf dem Preisschild stand ,65 Mark'. Das kam mir wie eine Fügung vor. So bekam ich mein erstes Instrument."

Abbi Hübner genießt es, sich an seine Anfänge als Musiker zu erinnern und von all den langen Nächten im Handschuh oder im Captain's Cabin am Dovenfleet zu erzählen. In seinem Musikzimmer im ersten Stock seines ausgebauten Elternhauses, in dem er seit 1947 lebt, steht ein funktionstüchtiges Grammofon, vor ihm liegt ein Buch, das er über Louis Armstrong geschrieben hat, und ein paar Broschüren und Aufsatzsammlungen, in denen er die Szene in den 50er-Jahren beschreibt, als in Hamburg die ersten Jazzbands gegründet wurden. Hinter hüfthohen Schränken verbirgt sich die Vinylsammlung, darunter eine Reihe von Schellackplatten, die auf dem Grammofon rotieren. "Ich habe nach dem Abitur Germanistik, Geschichte und Sport studiert und wollte Journalist werden. Doch dann packte mich die Medizin, und ich bin Arzt geworden."

Schlagzeilen wie "Ein Polizeiarzt ist Hamburgs Jazzkönig", "Hamburgs Doktor Jazz" oder "Der Arzt mit der goldenen Trompete" lauteten Schlagzeilen über ihn. Doch professioneller Musiker wollte Hübner nie werden. "Ich hatte von Herbst 1955 bis zum Frühjahr 1956 ein festes Engagement im Captain's Cabin. Das bedeutete jeden Abend von acht bis drei Uhr nachts zu spielen, aber auch 350 Mark Monatsgage. Davon konnte ich später mein Studium zum Teil finanzieren. Dann habe ich eine Zeit lang in Bremen gespielt. Aber es hat keinen Spaß gemacht, weil man das spielen musste, was das Publikum wollte. Improvisationen waren verpönt. Die Toilettenfrauen hatten auf das Programm mehr Einfluss als wir Musiker." Der Student wollte sich den Spaß am Jazz nicht vermiesen lassen und beließ es beim Hobby. Heute ist er der dienstälteste Amateurjazzer in Hamburg. Seit 1954 hat er ununterbrochen in Hamburg und Umgebung gespielt, seit 1964 mit seinen Low Down Wizards.

"Es ging mir und meinen Musikerkollegen immer darum, authentisch zu sein. Wir wollten immer besser werden, dabei aber Spaß haben und diese Spielfreude weitergeben." Geadelt fühlten Hübner und seine Kumpels sich, wenn US-Musiker in Hamburg gastierten und nach ihren Konzerten noch in die einschlägigen Jazzkeller kamen, um bis zum Morgengrauen zu jammen. "Ich hab mir so manches Mal in den Oberschenkel gezwickt und klargemacht, dass ich gerade mit George Lewis oder Kid Ory zusammen auf einer Bühne stehe." Wenn Hübner sich an diese Sternstunden im längst abgerissenen Mummekeller am Großen Burstah erinnert, fängt sein Gesicht an zu leuchten. Diese Sessions mit Größen des New-Orleans-Jazz waren der Lohn für die vielen Übungsstunden mit der Trompete.

Seit 1996 ist Abbi Hübner im Ruhestand, nachdem er 16 Jahre lang leitender Direktor des Ärztlichen Dienstes der Innenbehörde war. Seitdem hat er seine Trompete jeden Tag gespielt. "Je älter man wird, desto mehr muss man üben." Was der mindestens zehn Jahre jünger wirkende Senior noch draufhat, wird er am 5. Januar in einem vorgezogenen Konzert zum 80. Geburtstag in der Kleinen Laeiszhalle zeigen - dem Ort, von dem aus einst das Jazz-Virus durch den Äther in Abbis Küche flog.