Neil Youngs Autobiografie “Ein Hippie-Traum“ ist sprunghaft, aber unterhaltsam

Als Kurt Cobain sich das Leben nahm, hinterließ er einen Abschiedsbrief, in dem er eine Textzeile aus Neil Youngs Song "My My, Hey Hey" zitierte: "It's better to burn out than to fade away." Young meinte damit den klassischen Rock-'n'-Roll-Abgang auf der Höhe der Tatkraft. Geschrieben hatte er es nach dem Tod von Elvis Presley. Aber heute, fast 35 Jahre später, ist er sich nicht mehr sicher, ob das noch so stimmt. "Das Leben ist mehr als seine intensiven Höhepunkte", schreibt er in seiner Autobiografie "Ein Hippie-Traum".

Der kanadische Musiker hat mit 65 Jahren auch deshalb eine Lebensbilanz gezogen, weil ihn die Angst nicht loslässt, die Demenz könnte irgendwann nach ihm greifen, wie sie es schon bei seinem Vater getan hat. Young hat aufgehört zu trinken und zu kiffen. Seitdem fallen ihm keine neuen Songs mehr ein. Stattdessen hat er die Liebe zum Schreiben entdeckt. Er findet, das gelingt ihm ganz prima. Da mag man ihm nur eingeschränkt zustimmen. Er schreibt in großen Zeitsprüngen, bläst Kleinigkeiten manchmal groß auf, lässt dafür wichtige Fragen ungestellt.

Aber er kann natürlich aus einem reichen Fundus schöpfen. Der Mann hat als Solokünstler und mit Bands wie Buffalo Springfield, Crosby, Stills, Nash & Young und Crazy Horse Musikgeschichte geschrieben. Und das, obwohl seine angeschlagene Gesundheit ihm oft das Leben schwer machte. Er litt oder leidet an Kinderlähmung, Diabetes, Epilepsie und hat ein Aneurysma im Gehirn überlebt. Aber er ist nicht larmoyant, gesteht ein, dass die Zusammenarbeit mit ihm für andere oft nicht leicht ist. Man lernt auf diesen Seiten den Privatmann kennen, den Vater zweier behinderter Kinder, den leidenschaftlichen Sammler alter Autos und Modelleisenbahnen, den Verfechter einer verbesserten Aufnahme- und Wiedergabetechnik. Mit der Musikbranche hadert er. "Musik wird heute als ein Unterhaltungsmedium präsentiert, wie ein Spiel, aber ohne die volle Audioqualität. Sie ist eher eine Art lässiger Zeitvertreib oder ein Spielzeug, keine Botschaft an die Seele."

Young erzählt sprunghaft, aber oft unterhaltsam. Das Geheimnis seiner eigenen Vielseitigkeit und Kreativität bekommt er dabei nicht so richtig zu fassen, sie bleiben ihm ein Rätsel, von dem er ahnungsvoll schreibt, dass man es vielleicht lieber nicht lösen sollte. "Songs sind wie Kaninchen und kommen aus ihren Löchern, wenn man gerade nicht hinsieht, aber wenn man dasteht und wartet, vergraben sie sich einfach und tauchen an einer ganz anderen Stelle auf, wo man sie nicht sieht."

Neil Young " Ein Hippie-Traum". Übersetzt von Stefanie Jacobs, Michael Kellner, Hans-Ulrich Möhring. Kiepenheuer & Witsch. 476 Seiten. 22,99 €. Mit Crazy Horse spielt er am 3. Juni in der O2 World.