Die ARD zeigt mit „Das andere Kind“ am 2. und 3. Januar einen Zweiteiler nach Charlotte Link. Marie Bäumer spielt die Hauptrolle.

Hamburg. Drei Dinge kann Charlotte Link nicht ausstehen. Interviews. Vergleiche mit Rosamunde Pilcher, Großmutter marzipanklebriger Küsse bei Sonnenuntergang. Und Verfilmungen ihrer Romane. Munter hatten Fernsehmacher aus Figuren holzschnittartige Puppen gebastelt, jede Menge Weichzeichner übers Drehbuch gekippt und alle Passagen gestrichen, die es wagten, den roten Faden der Geschichte zu verlassen. "Danach habe ich beschlossen, nichts mehr von mir zur Verfilmung freizugeben. Ich dachte, vielleicht sind Bücher einfach nicht umzusetzen", sagt Charlotte Link, die in einem Hamburger Hotel Interviews gibt, weil nun doch wieder ein Film nach ihrer Vorlage über den Bildschirm flimmert. Ein Zweiteiler, der auf dem begehrten Sendeplatz an den ersten Tagen des neuen Jahres läuft, in denen die Menschen das Haus am liebsten nur zum Einkaufen verlassen und mit der Wohnzimmercouch quasi per Du sind. Nicht zufällig hat es die Autorin diesmal sogar in den Titel geschafft: "Charlotte Link - Das andere Kind" heißt das mit dem Event-Siegel der ARD geadelte Werk. Kennt man in dieser prominenten Form sonst nur von Ken Follett und eben den Pilcher-Schnulzen.

Klar, dass sich Produzenten nach Link-Stoffen alle zehn Finger ablecken. Sie sind süffig, bestsellerbewährt (20 Millionen verkaufte Bücher) und das, was in Marketingsprache "frauenaffin" heißt. Beliebtes Weihnachtsgeschenk, hervorragende Zuglektüre, Schmöker nach Feierabend, ohne sich die Gedankenläufe zu verbiegen. In diesem Fall hat Produzent Benjamin Benedict mit Regisseur Urs Egger und Autor Stefan Dähnert anscheinend Links Geschmack getroffen. Wer den Film sieht, versteht, warum. Gedreht wurde nicht dort, wo es die höchsten Fördergelder abzugreifen gab, sondern unter dem zerklüfteten Himmel Nordenglands, wo die Originalgeschichte spielt. Der Film verlegt sich nicht allein auf die klassische Krimihandlung, sondern erzählt die zweite Ebene des Romans - ein schuldbeladenes Familiendrama - gleichberechtigt mit. Außerdem setzt er neben bestens bekannten deutschen Schauspielern wie Marie Bäumer, Fritz Karl und Hannelore Hoger auf einen herausragenden englischen Cast - ein Grund dafür, dass man den Genremix aus Mörderjagd, Beziehungskiste und historischer Spurensuche so gern ansieht.

Kurz erzählt geht er so: Die Ärztin Leslie Cramer (Marie Bäumer) macht einen Abstecher in das Badeörtchen Scarborough. Besucht ihre Großmutter und spielt Mädchen für alles auf der Verlobungsparty ihrer Jugendfreundin Gwen (Bronagh Gallagher als neurotisch-liebeswerte Heiratswütige), beides eher Pflichtprogramm als spaßversprechend. Sie hat die Tasche kaum ausgepackt, da steht bereits die Polizei im Haus, die den Mord an einer Studentin untersucht. Gwens Ehe mit einem attraktiven, notorisch klammen Volksschullehrer (Fritz Karl) steht auf der Kippe, und Leslies Großmutter (wunderbar knarzig: Hannelore Hoger) erhält immer wieder Anrufe von einem Unbekannten, der leise ins Telefon stöhnt. Der krimierprobte Zuschauer weiß natürlich bald, dass all dies irgendwie zusammenhängt. Spannend bleibt es dennoch bis zum Schluss.

Der Film wechselt zwischen Leslies Odyssee durchs Dorf, die sich wie ein menschlicher Feuerlöscher auf alle emotionalen Brennpunkte stürzt, und einer Geschichte aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Jene Geschichte, die Charlotte Link einst den Anstoß gab, diesen Roman zu schreiben. Aus dem heftig bombardierten London wurden Kinder in Busse verfrachtet und zu Familien aufs Land geschickt. Bei dieser Aktion verschwindet ein Kind spurlos. Was mit ihm geschehen ist, berührt nach 180 unterhaltsamen, spannenden Minuten dann doch sehr.

"Charlotte Link - Das andere Kind" Mi/Do 2./3.1., jeweils 20. 15 Uhr