Ein Film mit Daniel Brühl über die heilende Kraft des Ballsports

Man muss über die erste Viertelstunde dieses Film hinwegkommen, dann funktioniert es. Danach hat man überwunden, dass der Schauspieler Daniel Brühl "Good morning, gentlemen" sagt wie eine besonders komplizierte Vokabel und sich bewegt, als habe er einen Ast verschluckt.

Brühl spielt Konrad Koch, den engagierten Lehrer aus Braunschweig, der 1874 den Fußball nach Deutschland brachte. Gegen alle Widerstände macht er die abschätzig "Fußlümmelei" oder "weibisches Getrete" genannte Sportart hierzulande populär. Aber noch viel mehr als das Kicken aufs Tor lehrt er seine Schüler innere Werte. Zusammenhalt, Loyalität, Mut zum selbstständigen Denken. Regisseur Sebastian Grobler und Autor Philipp Roth (nein, fragen Sie nicht!) haben einen Film gedreht, der mehr an das herzwärmende Pädagogenstück "Der Club der toten Dichter" erinnert als an Sönke Wortmanns "Das Wunder von Bern" über die heilende Wirkung, die die Fußballweltmeisterschaft 1954 auf Nachkriegsdeutschland hatte.

Natürlich muss ein Film, der von Fußball handelt, auch etwas über die wundersame Kraft dieses Sports erzählen, sonst könnte man es gleich lassen. Auch deshalb haben manche Kritiker der Geschichte vorgeworfen, sie sehe aus, als hätten der DFB und Philipp Lahm gemeinsam am Drehbuch rumgedoktert. Genauso gut könnte man behaupten, der deutsche Schwulenverband habe einst "Der bewegte Mann" in Auftrag gegeben. "Der ganz große Traum" handelt vielmehr von einer Handvoll Jungs, die Drill, Trillerpfeife und Peitsche im Schulwesen der Kaiserzeit gewohnt sind und zum ersten Mal so etwas wie Spaß in der Schule empfinden. Beim gemeinsamen Schießen auf ein Tor. Ganz nebenbei, spielend im wahrsten Sinne des Wortes, lernen sie englische Wörter.

Konrad Koch hat es tatsächlich gegeben, seine Biografie ist im Film allerdings stark zurechtgebogen (was absolut erlaubt ist). Regisseur Grobler setzt in seinem Kinodebüt, das nun erstmals im Fernsehen zu sehen ist, auf wenig subtile, dafür umso eingängigere Gut-gegen-Böse-Mentalität und den Seelenbalsam, der entsteht, wenn eine Gruppe Menschen in vereinter Stärke Widerstände überwindet. Thomas Thieme und Justus von Dohnányi spielen herrlich fiese Vertreter der alten Lehrergarde, die den Fußball, den neuen Lehrer sowie alle Schüler aus prekären Verhältnissen am liebsten auf den Mond schießen würden. Burghart Klaußner ist der Schuldirektor mit Gerechtigkeitssinn, der einzige Verbündete, den der Außenseiter Koch an dem humanistischen Knabengymnasium auf seiner Seite hat. Den Triumphzug des Fußballs aber, den kann keiner mehr aufhalten.

"Der ganz große Traum", Sonntag, 30.12., 17.45 Uhr, ARD