Marseille. Europas Kulturhauptstädte sind meist paarweise gruppiert: eine große und eine kleine; eine im früheren "Ostblock", eine im Westen; eine leuchtende, florierende und eine eher schmuddelige, erst aufbrechende. Bei Tallinn und Turku war das 2011 so, bei Istanbul und Essen/Ruhrgebiet 2010, bei Luxemburg und Sibiu 2007. Natürlich, jede Großstadt hat immer auch ihre Schattenseiten - aber bei der Auswahl 2013 sind diese wohl augenfälliger denn je: Marseille, die Millionenmetropole der Provence, ist auch eine Hauptstadt der Ausländerproblematik und des Verbrechens. Und Kosice (sprich: Koschize), die ostslowakische Industriestadt an der äußersten Grenze der EU, hat mit dem Roma-Getto "Lunik IX" eine soziale Herausforderung, die das Jubiläumsjahr nicht überdeckt.

Marseille hat erfolgreich an seinem Image als Stadt mit Charme gearbeitet. Stadtvillen in bester Lage wurden zu Hotels ausgebaut oder aufwendig renoviert. Die Docks, die verkommene Speicherstadt am Hochseehafen, werden unter dem Titel "Euromediterrane" großflächig abgerissen oder umgebaut. Ein topmodernes, nicht unumstrittenes Europamuseum ist entstanden, das die Geschichte des Kontinents aus der Perspektive des Mittelmeerraums in den Blick nimmt.

Doch auch Kosice, über Jahrhunderte eine slawisch-deutsche Stadt im Königreich Ungarn, mausert sich. Der "Hauptplatz" (Hlavne namestie) zwischen Staatstheater und dem gotischen Elisabeth-Dom strahlt als Prachtboulevard fast wieder in habsburgischem Glanz. Zum Kulturhauptstadtjahr wurde ein baufälliges Hallenbad zu einem Kunst- und Veranstaltungskomplex umgestaltet. Mit 240.000 Einwohnern ist Kosice, deutsch Kaschau, immerhin die zweitgrößte Stadt der Slowakei. Die drei Universitäten ziehen Jugend, Know-how und damit mögliches Zukunftskapital an. Optimismus, Energie und Kreativität scheinen vorhanden, den Schwung über das Jubeljahr hinaus zu retten, das Stadtbild der real existierenden Segnungen des Sozialismus zu verwandeln: Musik statt Platte, Kunst statt Kunststoff.