Sinkane und Antibalas verschmelzen die Einflüsse ihrer afrikanischen Heimat mit westlichen Beats zu mitreißenden Klubhits

Er ist schwarz, Afrikaner und Moslem. Nicht gerade die idealen Voraussetzungen, um in den USA Karriere zu machen. "Du musst doppelt so hart arbeiten wie alle anderen, um zu beweisen, dass du was kannst", warnte ihn schon sein Vater. Aber Ahmed Gallab ist auf dem besten Wege, sich einen Namen zu machen. Als Musiker nämlich. Im Alter von fünf Jahren flüchtete er mit seinen Eltern, einem Professoren-Ehepaar, aus der sudanesischen Hauptstadt Khartum vor dem Regime des Militärdiktators al-Baschir in die USA. Als Teenager begeisterte der junge Afrikaner sich vor allem für Rock der härteren Sorte, er fing an, Gitarre und Schlagzeug zu spielen, 2008 war er als Tour-Drummer mit Caribou unterwegs. Vor drei Jahren kam Ahmed Gallab dann nach New York. Ein neues Kapitel nahm für den Multiinstrumentalisten seinen Anfang, das vorläufig mit der Veröffentlichung seines Debütalbums "Mars" endet.

Als Titel für sein Projekt hat Ahmed Gallab den Namen Sinkane gewählt. "Ich habe den Namen in einem Song von Kanye West gehört und dachte es sei irgendeine afrikanische Gottheit", erzählt er. "Hinterher habe ich festgestellt, dass damit Joseph Cinqué gemeint war, der im 19. Jahrhundert die Revolte auf dem Sklavenschiff ,Amistad' angeführt hat." Der Bandname beruhte also auf einem Hörfehler, doch Gallab behielt das griffige Wort bei. Die meisten Instrumente auf "Mars" hat er selbst aufgenommen, als zusätzlichen Schlagzeuger holte er Jason Trammell von Yeasayer in sein Projekt, die Bläser und einen Flötisten rekrutierte er in der ungemein vielfältigen Musikerszene von Brooklyn.

"Mars", gerade auf dem Berliner City-Slang-Label erschienen, spannt einen weiten Bogen von afrikanischen Beats über 70er-Jahre-Soul und Jazz bis hin zu Dub und Electro. Seine Gitarre hat Ahmed Gallab hell gestimmt wie in afrikanischer Beatmusik üblich, oft benutzt er das Wah-Wah-Pedal als Effektgerät, die acht Songs basieren auf polyrhythmischen Beats wie auf seinem Heimatkontinent gang und gäbe. Diese rhythmischen Geflechte entwickeln sich zum Beispiel in "Jeeper Creeper" zu einem tranceartigen Groove, in "Making Time" benutzt Gallab dagegen einen geraden Beat und kreiert einen erstklassigen Track für den Dancefloor. Das Zusammenspiel von Flöte und Hörnern gibt "Lovesick" ein 70er-Jahre-Jazzflair, das Titelstück erinnert mit seinen spacigen Sounds an das Sun Ra Arkestra, das schon 1972 sang: "Space Is The Place".

Ahmed Gallab ist bei Weitem nicht der einzige Afrikaner, der im musikalischen Epizentrum von Brooklyn lebt und den Bogen von Nordamerika über den Atlantik zum schwarzen Kontinent schlägt. Seit 14 Jahren bereits existiert das elfköpfige Ensemble Antibalas. Die Formation um den nigerianisch-stämmigen Sänger Amayo und den Baritonsaxofonisten Martin Perna hat nach fünf Jahren Pause wieder ein Album mit dem schlichten Titel "Antibalas" auf dem Daptone-Label herausgebracht. Daptone ist die Heimat von Soulsängern wie Sharon Jones und Lee Fields, aber Antibalas passt mit seinem von Bläsern, Orgel und Schlagzeug vorangetriebenen Sound gut auf das New Yorker Soul-Label. Antibalas steht in der Tradition des Afrobeats, wie ihn Amayos Landsmann Fela Anikulapo Kuti Ende der 60er-Jahre begründete. Damals war Kuti in die USA gereist und erlebte Musiker wie James Brown, Miles Davis und Sly Stone.

Diesen Mix aus Funk, Jazz und afrikanischen Rhythmen führt Antibalas im 21. Jahrhundert weiter. Jeder der Tracks ist zwischen sechs und acht Minuten lang, es sind mitreißende Tanznummern mit mächtigen Beats und Texten, die zumeist in minimalistischem Pidgin gesungen werden. Doch um zu verstehen, was Antibalas zum Beispiel mit der Eröffnungsnummer "Dirty Money" meint, braucht man kein Anglistikstudium. Die Band gilt neben dem Ensemble von Fela Kutis Sohn Femi als die wichtigste Afrobeat-Band der Welt.

So wie die afroamerikanischen Jazzmusiker seit den späten 50er-Jahren ihren Blick zurück auf "Mutter Afrika" warfen und sich vor allem rhythmisch inspirieren ließen, schaut eine neue Generation von jungen Musikern ebenfalls wieder über das Meer in Richtung Osten. Immigranten wie Ahmed Gallab bringen musikalische Elemente von dort mit und stellen sie in neue Zusammenhänge, die Musiker von Antibalas besinnen sich auf Traditionen und halten sie am Leben. Heraus kommt in beiden Fällen spannende Musik ohne Grenzen. Gallab bringt es auf den Punkt: "Ich möchte globale Musik schreiben."

Sinkane: "Mars" (City Slang)

Antibalas: "s.t." (Daptone Records/Groove Attack)