Ruben Jonas Schnell, 44, ist der Gründer des Internet-Radiosenders ByteFM

Wir waren nicht oft wandern, damals mit 14, 15. Eigentlich kann ich mich nur an dieses eine Mal erinnern: sechs, sieben Kumpels auf Wanderausflug in den Stadtrand. Ich hatte Joachim Witts "Herbergsvater" im Kopf, der damals im Radio rauf und runter lief und wir versuchten beim Wandern, das Stück a cappella zu singen: Die Sounds von Schlagzeug, Bass und Gitarre und diesen wahnsinnigen Text: "Ey, lasst das sein Kinder, ihr seid wohl ganz versessen! ... Ich bin euer Herbergsvater und sage Ah! Ah!" Pop konnte durchgeknallt sein! Verrückt! Völlig gaga und dabei cool! Für mich damals eine neue Erkenntnis. An unserer A-cappella-Version sind wir natürlich gescheitert. Wir haben uns schlappgelacht bei den Versuchen.

Wie musikalisch wegweisend der "Herbergsvater" und das komplette Album "Edelweiß" von Joachim Witt 1982 waren, wurde mir erst viel später klar. Die Musik handgemachte Vorstufe von Techno mit Maschinen-Beats, sämtliche Texte mit bemerkenswerter Konsequenz: irre.

Als "Edelweiß" neu war, sagte Joachim Witt in einem Radio-Interview auf die Frage nach seinen Einflüssen "Ich höre nur Joachim Witt!" Die dicke Fresse beeindruckt mich heute noch. Als Joachim Witt vor ein paar Jahren mein Gast in einer Radiosendung war, konnte er sich an sein Selbstbewusstsein von damals nicht erinnern. Überhaupt war er überrascht, wie revolutionär ich seine alte Musik noch immer finde. Sie klingt heute so frisch, durchgedreht, maschinen-funky und aufregend wie vor 30 Jahren. Angesichts des perfekten "Edelweiß" verzeihe ich ihm sogar "Bayreuth", "Eisenherz" und "Gloria".