Der hervorragend besetzte “Tatort: Im Namen des Vaters“ spielt im Frankfurter Trinkermilieu. Die Suche nach Liebe bleibt hier ohne Erfolg

Wenn man die "Tatort"-Folge "Im Namen des Vaters" mit einem Satz aus dem Drehbuch charakterisieren müsste, wäre es dieser: "Alle wollen mit mir körpern, aber keiner will mich küssen."

Der Satz ist ein Zitat. Der 18-jährige Christian Brendel (Vincent Redetzki) zitiert mit ihm bei einer Zeugenvernehmung seine Mutter, die darin ihre Beziehung zu Männern auf den Punkt bringt. Nun ist sie tot. Und es ist durchaus möglich, dass einer dieser Männer, die mit ihr "körpern", sie aber nicht küssen wollten, die 44 Jahre alte Alkoholikerin umgebracht hat.

"Im Namen des Vaters" spielt im Trinkermilieu des Frankfurter Gallus-Viertels. Es geht dabei um allerlei körperliche Verrichtungen. Neben dem Geschlechtsverkehr sind es vor allem das Prügeln und eben das Saufen. Nicht nur für Küsse ist hier kein Platz. Die Liebe ist in diesem Biotop in keiner ihrer Erscheinungsformen vorgesehen. Auch nicht als Nächstenliebe.

Dabei gibt es im Viertel die katholische St.-Gallus-Gemeinde, die dafür eigentlich zuständig wäre. Doch deren junger Pater Markus (Florian Lukas) ist mit seiner Aufgabe komplett überfordert. Nicht nur dass er, weil er die Einsamkeit seiner Pfarrwohnung scheut, sich in den Säuferkneipen seines Sprengels den einen oder anderen Schnaps genehmigt. Er verstößt auch dann gegen das achte Gebot, wenn er es keinesfalls tun sollte: Als etwa der Sohn der Toten ihn fragt, ob er seine Mutter nach Heiligabend, da war sie in seiner Kirche, noch einmal gesehen habe, verneint er das wider besseren Wissens. Dabei hat er mit dem späteren Mordopfer in der Silvesternacht, in der es zu Tode kam, in einer Trinkerbar gezecht.

Wie ist es um ein Milieu bestellt, in dem auf den von Berufs wegen für die Nächstenliebe Verantwortlichen nicht nur kein Verlass ist, sondern dieser Mann gar als Tatverdächtiger durchgeht? Diese Welt, so ganz ohne Liebe, ist die Vorhölle. Und als solche hat sie Regisseur und Drehbuchautor Lars Kraume inszeniert. Das ist ihm auch deshalb besonders gut gelungen, weil "Im Namen des Vaters" bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragend besetzt ist.

Paulus Manker etwa gibt den fiesen Lebensgefährten des Mordopfers, den gewalttätigen und mehrfach vorbestraften Viktor Kemper - auch er ist ein Tatverdächtiger. Lebensgefährte heißt bei den beiden allerdings nur, dass man sich eine Wohnung teilt und der Hausherr ab und an seine Partnerin prügelt. Ansonsten geht man getrennte Wege. So zieht Agnes Brendel, die in Rückblenden immer wieder zu sehen ist, auf der Suche nach ein bisschen Liebe durch die Kneipen des Viertels. Auf ihren Touren wirft sich die von Anna Böttcher exzellent gespielte Frau den unmöglichsten Typen an den Hals. Werner Krabonke (Rainer Bock) etwa ist so einer: Ein auf den ersten Blick weich und gebrochen wirkender Mann, der aber in den Kneipen Frauen mit Hochprozentigem abfüllt, um sie sich später gefügig zu machen. Er hat zusammen mit der Brendel und dem Pater am Silvesterabend getrunken.

Da die Milieuschilderung im Mittelpunkt von "Im Namen des Vaters" steht, spielt das Ermittlerteam um Kommissarin Conny Mey (Nina Kunzendorf) und Kommissar Frank Steier (Joachim Król) nur die zweite Geige. Das ist ungewöhnlich für einen "Tatort" aus Frankfurt, der in der Regel vom Gegensatz zwischen der Tussi Mey und dem spröden Eigenbrötler Steier lebt. Doch zum einen wirkt die Kommissarin mit ihrer neuen, flotten Kurzhaarfrisur nicht ganz so tussenhaft wie in den vorangegangenen Folgen. Und zum anderen erfüllen die Ermittler dann doch eine ganz wichtige Rolle - und zwar nicht nur, weil sie den Fall aufklären müssen.

Zu Beginn des Films feiern die Polizisten Silvester. Kommissarin Mey stöckelt in ihren roten Cowboystiefeln in das Büro von Steier, um mit dem Kollegen anzustoßen. Im Laufe des Abends, das erfährt der Zuschauer aber erst später, bietet ihr der Kommissar das Du an. Als sie ihn am nächsten Morgen mit "Hallo, Frank" und einem Küsschen begrüßt, kann der sich an nichts erinnern. Steier hat nämlich ein nicht geringes Alkoholproblem und deshalb in der Silvesternacht einen Black-out gehabt. Das Du entzieht er der Kollegin wieder. Und er verbittet sich "diese Küsserei".

Die gutbürgerlichen Polizisten und die Trinker aus dem Gallus-Viertel haben mehr gemeinsam, als es scheint. Gesoffen wird hier wie dort. Und mag es bei den einen auch keine Liebe geben, haben die anderen schon Probleme mit Nähe oder auch nur Freundschaft.

"Tatort: Im Namen des Vaters" Mi 20.15, ARD