Die Dokumentation von Regisseur Malik Bendjelloul spürt einem vergessenen Sänger nach, der ohne sein Wissen in Südafrika zum Star wurde.

Was für eine Geschichte! Da macht ein mexikanischstämmiger Singer-Songwriter Anfang der 70er in den USA zwei Schallplatten, die keinen müden Cent einspielen - nur um dann ganz woanders, in Südafrika, ohne sein Wissen zum Superstar zu avancieren. Sixto Rodriguez heißt dieser Mann. Und wenn es nicht ein CD-Booklet gegeben hätte, das die mangelnden Fakten über Rodriguez beklagte und "Musikdetektive" zur Recherche aufforderte - wir wüssten auch heute noch nichts über ihn. Der schwedische Regisseur Malik Bendjelloul hat sich nun, unterstützt von dem südafrikanischen Plattenladenbesitzer Stephen Segerman, wie ein Detektiv auf filmische Spurensuche begeben.

Die Recherche beginnt in Detroit. Zwei Produzenten berichten, wie sie Ende der 60er-Jahre in einem schmuddeligen Hinterhof-Klub namens "The Sewer" erstmals Sixto Rodriguez sehen und vor allem hören. Für sie ist klar: Mit seinem introvertierten Folk könnte er glatt Bob Dylan Konkurrenz machen. Doch die erste Platte "Cold Fact" floppt, die zweite "Coming from Reality" ebenso - trotz Kritikerlob. Rodriguez ist so schnell weg aus dem Musikbusiness, wie er gekommen war. Und dann passiert etwas, das sich nur schwer erklären lässt: Ein Exemplar von "Cold Fact" gelangt nach Südafrika, wird auf Partys gespielt, für andere aufgenommen, neu aufgelegt und avanciert seiner kritischen Texte wegen rasch zur Hymne gegen das Apartheid-Regime. Für Südafrikaner ist "Cold Fact" eine jener zehn Platten, die mit auf die einsame Insel müssen. Doch wer hat sie eigentlich aufgenommen? Die kuriosesten Gerüchte kursieren.

Rodriguez soll sich auf der Bühne erschossen haben, vielleicht sogar verbrannt. Oder er sei an einer Überdosis gestorben. Der Star, den niemand kennt, wird zum Mythos. 1996 bringt Stephen Segermann mit besagtem Booklet den Stein ins Rollen. Er recherchiert im Internet, folgt dem Weg des Geldes (Wer verdient an den vielen Plattenverkäufen in Südafrika?), spricht mit Produzenten (köstlich das Interview mit dem scheinheiligen Clarence Avant, dem Besitzer von Rodriguez' damaliger Produktionsfirma Sussex Records) und analysiert die Texte. Bis eine Liedzeile nach Dearborn führt, einem Stadtteil von Detroit ...

Jetzt endlich - der Film ist schon zur Hälfte um - lernen wir Rodriguez kennen, einen bodenständigen, inzwischen 70-jährigen Kerl, der auf dem Bau schuftet und nichts bedauert, obwohl er es sehr viel leichter hätte haben können. Malik Bendjelloul hat seinen Film dramaturgisch wie ein Kriminalstück konzipiert. Geduldig trägt er die Fakten zusammen und setzt sie wie die Steinchen eines Mosaiks an die richtige Stelle - bis sich aus Interviews, Fotos, Musikbeispielen und Filmausschnitten ein packendes, anrührendes, aber auch erstaunliches Gesamtbild ergibt. So entsteht die Geschichte eines begnadeten Musikers, dessen Leben anders verlaufen wäre, hätte er von seinem Erfolg gewusst. Unterschwellig erfährt der Zuschauer auch etwas über die Praktiken der Musikindustrie, die schlitzohrig Tantiemen einsackt ohne jemanden zu informieren, oder über die südafrikanische Zensur, die einzelne Songs auf einer Schallplatte einfach zerkratzen lässt. Und weil dieser Film ein Pop-Märchen ist, gibt es auch ein Happy-End: Rodriguez gab 1998 in Kapstadt sechs ausverkaufte Konzerte. Unglaublich, aber wahr.

Bewertung: empfehlenswert

"Searching for Sugar Man" Schweden/GB 2012, 86 Minuten, o. A., R: Malik Bendjelloul; www.rapideyemovies.de