“Tabu“ ist ein neugierig machendes Drama über Abschied und Erinnerung

Es beginnt mit einem Prolog, der den Zuschauer davor zu warnen scheint, dass hier alles Mögliche passieren kann. Ein Jäger streift durch die Savanne und begegnet einem Krokodil mit traurigen Augen. Szenenwechsel, wir befinden uns im Lissabon von heute. Pilar (Teresa Madruga), Rentnerin und strenggläubige Katholikin, kümmert sich aufopferungsvoll um ihre einsame, grantige Nachbarin Aurora (Laura Soveral), die ihre Rente im Kasino verspielt. Darüber hinaus verdächtigt sie ihre kapverdische Haushälterin Santa (Isabel Cardoso), sie mit Voodoo zu verhexen. Auroras letzter Wunsch: Sie möchte Gian Luca Ventura (Henrique Espírito Santo), einen italienischen Abenteurer, wiedersehen. Gian Luca, von Pilar in einem Altenheim ausfindig gemacht, erzählt nun seine Geschichte - eine Amour fou, die 50 Jahre zurückliegt und sich im Mosambik der Kolonialzeit zutrug.

"Tabu" - so heißt auch ein Film von Friedrich Wilhelm Murnau. Der portugiesische Regisseur Miguel Gomes hat eine Schwäche für die Filmgeschichte und bedient sich darum der Ästhetik des Stummfilms: Schwarz-Weiß, klassisches Filmformat von 1:1,33 (normal ist 1: 1,85), gedreht auf 35 und 16 mm (für die beiden unterschiedlichen Kapitel namens "Verlorenes Paradies" und "Paradies"). Was auf dem Papier ein wenig verkopft klingt, ist in Wahrheit ein poetisch-nostalgischer Film über die Liebe und die Sehnsucht, über Zeit und Erinnerung, über Abschied vor allem. Die schwarz-weißen Tableaus von Kameramann Rui Pocas kreieren eine Schönheit, deren Faszination man sich kaum entziehen kann. Und dann die Tonspur voller Geräusche, Töne, Musikklänge, Seufzer, Atmer und Gesprächsfetzen. Zugegeben: ein etwas seltsamer, skurriler Film. Und doch einer, der auch neugierig macht.

+++--"Tabu" Portugal/Deutschland/Brasilien/ Frankreich 2012, 111 Min., o. A., R: Miguel Gomez, D: Teresa Madruga, Laura Soveral, Isabel Cardoso, im Abaton; www.realfictionfilme.de