Clubnacht Soul Allnighter am ersten Weihnachtsfeiertag im Waagenbau

Der Soul erlebt gerade seine nächste Renaissance. Hip ist heute, wer bei den Konzerten von Lee Fields und Charles Bradley im Uebel und im Gruenspan dabei war, alle Sharon-Jones-Platten im Schrank hat, jede Veröffentlichung des Labels Daptone Records aus Brooklyn kennt und auf den Soundtrack von "The Man With The Iron Fists" steht. Bradley und Fields sind Veteranen des Soul aus den 60er-Jahren, die durch das Revival eine späte Anerkennung erfahren und erst jetzt im Alter von 60 plus Karriere machen.

Bei den wenigen Konzerten dieser Altmeister gehörte Hamburg natürlich zu den Tourneestationen und das nicht wegen des Status' als Weltstadt, sondern auch wegen der Tradition und Aufmerksamkeit, die diese originär afroamerikanische Musik hier genießt. Einen ganz wesentlichen Beitrag dazu liefert der Soul Allnighter, der 1983 zum ersten Mal gefeiert wurde - damals im Kir an der Max-Brauer-Allee. In der Regel wird der Soul Allnighter zweimal im Jahr zelebriert, und zwar immer zu den höchsten christlichen Feiertagen zu Ostern und Weihnachten - ohne dass dahinter eine tiefere Bedeutung steckt außer der, nach sechs bis acht Stunden Dauertanz ausschlafen zu können. Eine ganze Reihe von Locations hat die schwarze Tanznacht bereits hinter sich, aktueller Ort ist wieder die Max-Brauer-Allee mit dem Waagenbau.

Die Single-Koordinatoren heißen seit 29 Jahren Leif Nüske und Olaf Ott. Die Herren, die sich Fab Boy Two nennen, haben über Jahrzehnte Berge von schwarzem Gold zusammengetragen, das erst bei 45 Umdrehungen in der Minute zu glänzen beginnt. Immer noch begeben sie sich auf Flohmärkten und in gut sortierten Secondhand-Shops auf Schatzsuche, die in Großbritannien entstandene Northern- oder Rare-Soul-Bewegung hat sie auf so manches Goldstück aufmerksam gemacht, das dann später in ihren Vinylkisten landete, aber auch das eine oder andere Loch in ihre Geldbörsen riss, denn diese seltenen Fundstücke sind teuer. Was amerikanische Trödler früher für ein paar Cent hergaben, kann heute leicht einen dreistelligen Eurobetrag kosten.

Tanzbar ist alles, was die Initiatoren Leif Nüske und Olaf Ott auflegen

Dass sich diese Black-Music-Veranstaltung seit Jahrzehnten ungebrochener Beliebtheit erfreut, verdankt sie in erster Linie der Musik, die von den Fab Boy Two auf die Plattenteller gelegt wird. Mainstream-Songs sind verpönt. Das führt schon mal zu Reaktionen wie der des Hamburger Sängers Bernd Begemann, der forderte, die Ausgrenzung von James Browns "Sex Machine" doch noch einmal zu überdenken. Aber die Fab Boy Two sind da unbestechlich und ihrem exquisiten Stilempfinden verpflichtet. Soul bedeutet für sie nicht, kommerziell erfolgreiche Stars der 60er-Jahre wie Aretha Franklin, die Supremes oder die Four Tops zu spielen, sondern wirklich seltene Aufnahmen. Marvin Gaye oder die Isley Brothers tauchen in den Playlisten schon mal auf, aber die meisten Sänger und Sängerinnen - wie Archie Bell & The Drells, Dobie Gray, Joey Gilmore oder Gene Chandler - dürften nur wirklichen Northern-Soul-Fans bekannt sein. Tanzbar ist jedoch alles, was die beiden Vinylisten aus ihren Kisten hervorzaubern.

Da so ein Allnighter eine anstrengende Angelegenheit ist, weil die Turntablelisten im Schnitt alle drei Minuten eine neue Single zum Rotieren bringen müssen, haben sie wie in den Vorjahren Unterstützung hinter den Plattenspielern. Auf dem Main Floor wechseln sie sich mit Lars Bulnheim ab, der Gitarrist der inzwischen aufgelösten Hamburger Band Superpunk war und ebenfalls eine Aficionado des Rare Soul ist. Wer es doch etwas moderner haben möchte, sollte den kleineren Back Floor besuchen, denn dort erklingen Modern Soul, Boogie, Philly Sound und Funk von einem Hamburger DJ-Kollektiv, das sich Delicious Biscuits nennt. Für die drei Plattenaufleger ist selbst der Begriff Disco kein Schimpfwort.

In den vergangenen Jahren hatte der Soul Allnighter eine feste Heimat im Waagenbau. Aber im kommenden Jahr wird der Mojo Club wieder eröffnet, den Leif Nüske zusammen mit seinem Partner und DJ-Kollegen Oliver Korthals gegründet hat. Vielleicht entscheidet er sich ja, diese traditionelle Hamburger Tanznacht in seinem neuen Klub anzusiedeln. Aber egal, ob Waagenbau oder Mojo Club, eine Warnung des DJ-Teams gilt für jeden Allnighter: "Diese Musik kann deinen Schuhsohlen ernsthaften Schaden zufügen!"

Soul Allnighter Di 25.12., 22.00, Waagenbau (S Holstenstraße), Max-Brauer-Allee 204, Eintritt 9,-; Internet: www.soul-brother.com