Ein Lesebuch über eine bis heute 60-jährige Tänzerkarriere: “Egon Madsen - Ein Tanzleben“

Vieles lief im Leben von Egon Madsen anders als bei den meisten Tänzern. Mehrfach wechselte er die Seiten, wurde Solist, Ballettdirektor, Ballettmeister, Choreograf und Pantomime, arbeitete auch als international gefragter Pädagoge - und feierte mit 57 Jahren noch einmal ein großes Comeback als Tänzer beim berühmten Nederlands Dans Theater III. Ja, es gibt viele Gründe, über diesen Spitzenkünstler eine Biografie zu schreiben.

Die Hamburger Autorin Dagmar Ellen Fischer hat sie erkannt und "Ja!" gerufen, als der heute 70 Jahre alte dänische Tänzer Madsen sie nach einem langen Interview gefragt hatte, ob sie Lust dazu hätte. Beim Leipziger Henschel Verlag ist die Biografie erschienen: "Egon Madsen - Ein Tanzleben". Ein sehr unterhaltsames Lesebuch ist herausgekommen, mit vielen wundervollen Geschichten aus dem Reich der bewegten Körper auf der Bühne, ein Buch der persönlichen Suche nach der eigenen künstlerischen Wahrheit, nach dem richtigen Ausdruck, nach Liebe und nie endender Weiterentwicklung. Auch wenn der Anfang des Buches nicht denselben Sog besitzt wie später, wenn der Leser mittendrin ist in Madsens Ballett-Laufbahn - diese Biografie erzählt viel darüber, wie der Tanz das gesamte Leben prägt, vom Umgang der Tänzer untereinander, aber auch, ganz persönlich und charakteristisch, wie der Künstler Egon Madsen mit jeder seiner Rollen wächst, oft über sich hinaus in eine Sphäre, die weder er selbst noch andere ihm zugetraut hätten.

Weil er eben nicht nur das tat, was der Choreograf John Cranko von ihm verlangte, weil er seine Rollen an die eigenen Impulse, die eigenen Fähigkeiten anpasste, wurde er mit nur 21 Jahren zum Solisten befördert. Der feingliedrige, blond gelockte Däne erschloss sich ein immer weiteres Spektrum an Charakterdarstellungen und verlor darüber trotzdem nicht seine Ausstrahlung: "Man könnte Egon auf einer Bühne sehen, total dunkel, (...) weil er sein eigenes Licht ausstrahlt", sagte Marcia Haydée 2011 anlässlich der Verleihung des Deutschen Tanzpreises an Egon Madsen.

Fraglos waren die zwölf Jahre, in denen John Crankos "Stuttgarter Ballettwunder" emporwuchs, die Basis für eine weltweit einmalige Company, deren unglaubliche Qualität das Publikum der New Yorker Met über Wochen zu Begeisterungsstürmen hinriss. Das aber lag nicht allein am choreografischen Genius Crankos, sondern mindestens ebenso an seinen Ausnahmetänzern Marcia Haydée, Richard Cragun, Birgit Keil und eben Egon Madsen, die sich perfekt ergänzten und sich gegenseitig spielerisch zu Höchstleistungen inspirierten. Madsen findet die Worte für sein eigentlich unbeschreibliches Daseinsgefühl als Tänzer: "Ich biete jeden Abend meinen Körper und meine Seele an, ich verausgabe mich, bringe mich an den Rand der Erschöpfung."

Dagmar Ellen Fischer: "Egon Madsen - Ein Tanzleben" Henschel Verlag, 174 S., 24,90 Euro.