Der stilbewusste Rocker ließ es mächtig krachen

Hamburg. Er kann in drei Minuten alles erzählen. Das war schon in den 70er-Jahren so, als Paul Weller dem Trio The Jam vorstand. Kurze prägnante, mit Wut und Empathie herausgehauene Songs waren früher das Markenzeichen des heute 54 Jahre alten britischen Sängers und Gitarristen. Auch viele seiner aktuellen Lieder überschreiten die Singlelänge kaum, mit denen er sein Konzert in der fast ausverkauften Großen Freiheit 36 eröffnet.

"Up The Dosage", "The Dangerous Age" und "7&3 Is The Strikers Name" sind drei von insgesamt 25 Nummern, die er an diesem Abend spielen wird. Sie stammen von "Wake Up The Nation" und "Sonic Kicks", seinen beiden jüngsten Alben. Darauf hat er mit dem Produzenten Simon Dine etwas herumexperimentiert und mit Loops und allerlei Elektronik gearbeitet. Live ist davon kaum etwas zu spüren. Weller rockt den Kiez-Klub wie seit Jahrzehnten.

Pausen zwischen den Songs kennt er nicht. Mit etwas eckigen Bewegungen hängt er sich nach fast jeder Nummer eine neue Gitarre um, die Ansagen sind kurz, das "Thank you" für den Applaus knurrt er ins Mikro. Mit dem linken Fuß stampft er den Beat zu vielen der schnellen Songs. Sein Adrenalinspiegel reicht bis unter die Wurzeln seiner grau gewordenen Haare. Seine schlanke Figur ist die eines Twens und nicht eines Mittfünfzigers, Weller ist der Energiebolzen, der er immer gewesen ist. Er trägt ein modisches Jackett und elegante schwarz-weiße Schuhe, wie sich das für einen Mod gehört. Immerhin ist er der "Modfather", schlampiges Bühnen-Outfit wäre ein Sakrileg dieser stilbewussten Jugendbewegung, deren verehrtestes Idol er ist.

Seine Band hat er zum Teil neu zusammengestellt, nur Steve Cradock, der Gitarrist von Ocean Colour Scene, steht wie seit vielen Jahren treu an seiner Seite. Mit Cradock zusammen lotet er einige Songs tiefer aus. Bei "Into Tomorrow" von seinem ersten Soloalbum begeben sich die beiden mit Schlagzeuger Steve Pilgrim auf eine längere Improvisation, auch "Pieces Of A Dream" und "Foot On The Mountain" wird um Zwiegespräche der Gitarristen ergänzt.

Diese Passagen erinnern an Humble Pie, jene Band um Peter Frampton und Steve Marriott, die 1972 ein phänomenales Livealbum veröffentlicht hat, auf denen sie Bluesklassiker bis zu 20 Minuten dehnen. Weller wird diese Aufnahme sicher vertraut sein und erst recht Humble Pies Interpretation von "I Walked On Gilded Splinters". Der von Dr. John geschriebene Song gehört auch zu Wellers Repertoire, leider spielt er ihn an diesem Abend in der Großen Freiheit nicht. Dafür holt er mit "My Ever Changing Moods" und "Shout To The Top" zwei alte Style-Council-Songs aus der Kiste. Style Council war die Band, die Weller nach der Auflösung von The Jam gegründet hat und mit der er eleganten Soul-Pop spielte, ebenfalls ganz im Sinne der Mods.

In den 103 Konzertminuten variiert Weller zwischen vielen neuen Nummern und Songs, die zu Klassikern seiner Bühnenshows geworden sind - wie die immer aufs Neue ergreifende Ballade "You Do Something To Me" oder der Up-Tempo-Rocker "From The Floorboards Up".

Seine Fans sind begeistert, auch wenn der Sound zwischendrin etwas zu wünschen übrig lässt. Vor allem, wenn Weller an den Keyboards Platz nimmt, verliert sein Gesang an Klarheit. Im Zugabenteil spielt der "Modfather" drei Songs, darunter "The Changing Man". Doch seine Fans wollen mehr und bekommen noch ein weiteres Encore. Am Ende verabschiedet Weller sich so stilvoll, wie es sich für eine Musik- und Modeikone gehört: mit einem Handkuss.