Das Projekt “Endstation Meer?“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe warnt vor schädlichem Müll in den Ozeanen.

Hamburg. Bereits im Foyer des Museums für Kunst und Gewerbe sorgen einige unansehnliche Plastikbruchstücke, die wie kostbare archäologische Funde in einer Vitrine präsentiert werden, für Irritation. Eine Etage höher, im Sonderausstellungsbereich, folgt dann die Erkenntnis: Der Vitrineninhalt war nur ein Prolog. Hier oben schockt der eigentliche Müllberg. Ein riesiger Haufen Abfall, der direkt von den Stränden unserer Meere stammt und keinesfalls als Kunstwerk missverstanden werden sollte, bildet den Kern der Ausstellung "Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt". Große und kleine Teile von Plastikkisten, Fischereigeräten, kaputten Spielzeugen, Flaschen, Schuhen und anderen Alltagsdingen liegen jetzt im Museum aufgetürmt, geborgen wurden sie bei Strandsäuberungen auf Hawaii, Fehmarn und Sylt.

"Hier führen wir vor, was die Kunsthistoriker in Tausenden von Jahren von uns finden werden", sagt Museumsdirektorin Sabine Schulze. Die Archäologieobjekte von übermorgen entsprechen den Zeugnissen einer ökologischen Katastrophe von heute. Jedes Jahr gelangen mehr als 6,4 Millionen Tonnen Abfälle in die Ozeane.

"Unsere Meere haben sich in eine Plastiksuppe verwandelt", sagt Angeli Sachs, die das Projekt am Museum für Gestaltung Zürich konzipierte. Mit der Wanderschau, deren einzige deutsche Station das Museum für Kunst und Gewerbe ist, werden neue Wege der Museumsarbeit beschritten: Es geht um unverblümte sachliche Aufklärung. "Die Ausstellung ist keine Streicheleinheit, sondern soll wachrütteln", betont Claudia Banz, Leiterin der Sammlung Design am Haus.

Rund um das Mahnmal Müllberg befinden sich hölzerne, mit Monitoren, Objekten, Grafiken und Texten bestückte Kisten, die als Informationsinseln zu Rettungseilanden im Sumpf der selbst verschuldeten Ahnungslosigkeit werden. Zunächst heißt das Thema: Plastik im Meer. Durch die verschiedenen Strömungen bilden sich in bestimmten Bereichen der Weltmeere große Wasserwirbel. In deren Zentren entstehen sogenannte Garbage Patches, Zusammenballungen von Plastikmüll, der dort oft jahrzehntelang rotiert und in immer kleinere Stücke zerfällt. Die größte dieser Müllinseln treibt derzeit im Pazifik und hat den Umfang Mitteleuropas.

Die Folgen für die Umwelt sind gravierend: Vögel und Schildkröten sterben an verschluckten Plastikteilen, planktonfressende Organismen nehmen Kunststoffpartikel zusammen mit ihrem natürlichen Futter auf. Weil Plastik biologisch nicht abbaubar ist, landet es schließlich in der Nahrungskette - als Mikroplastik auf unseren Tellern. Informationen über Mikroplastik führen zum zweiten Teil der Ausstellung, der sich mit Plastik im Alltag auseinandersetzt. Denn auch Kunststofffasern aus Polyestertextilien oder Mikroplastikkügelchen aus Peelingprodukten gelangen über das Abwasser in die Meere und führen uns über die Nahrung schließlich Schadstoffe zu.

Nur wer Bescheid weiß, kann sich und die Umwelt schützen, lautet die Botschaft. So geht es auch um Materialkunde, also um Kunststoffarten und Zusatzstoffe, für die keine Deklarationspflicht besteht. Außerdem werden Recyclingstrategien erläutert und Alternativen zu dem auf Erdölbasis hergestellten Plastik aufgezeigt. "Alternative Kunststoffe bestehen aus anderen chemischen Verbindungen und können sich wieder zersetzen", erklärt Banz. Zudem dürften solche nicht auf Öl basierenden Stoffe wirtschaftliche Anreize für die Produzenten bieten. Auch Upcycling ist ein Phänomen in Zeiten längst fälligen Umdenkens: Aus alten Dingen wird ein neues Produkt hergestellt. Upcycling ist eine Gegenstrategie von Designern, die zum Beispiel Taschen aus Lastwagenplanen fertigen.

So schlägt die Präsentation eine Brücke zum Bereich Design. "Design bedeutet auch, neue Lösungsansätze zu finden", betont Claudia Banz, die in ihrer im Oktober neu eröffneten Abteilung Design auch einen Nachhaltigkeitsraum einrichtete. Im Rahmenprogramm, das einen wesentlichen Teil des Projekts darstellt, werden Themen wie Wiederverwertung und ökologisches Design diskutiert. So findet an sieben Abenden eine Plastikmüll-Debatte mit Designern, Wissenschaftlern, Umweltschützern und Vertretern aus Industrie und Wirtschaft statt. In drei Workshops demonstrieren Künstler und Designer, wie aus ausgemusterten Alltagsdingen ein Kunstwerk entsteht - das vielleicht einmal in einer Vitrine landet.

"Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt". Von heute bis zum 31. März, Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz. Di bis So 11 bis 18 Uhr, Do bis 21 Uhr, ab 1. Januar ab 10 Uhr. www.plasticgarbageproject.org