Die Debatte um städtische Kulturvermarktung geht weiter

Hamburg. Bei einem Abendblatt-Streitgespräch hatten Kunsthallen-Direktor Hubertus Gaßner, Thalia-Intendant Joachim Lux und Hamburgs Tourismus-Chef Dietrich von Albedyll Methoden und Schwerpunkte der städtischen Kulturvermarktung kontrovers diskutiert. Am Montag meldete sich nun Kultursenatorin Barbara Kisseler zu Wort: "Es bringt nichts, permanent die sogenannte Massenkultur und Hochkultur gegeneinander in Stellung zu bringen. Es gibt gute und bedeutende 'Massenkultur', wie es auch schlechte und weniger bedeutende Hochkultur gibt. Für die Stadt und ihr kulturelles Selbstverständnis ist es aber eminent wichtig, dass Kulturmarketing kulturelle Vielfalt bewirbt und nicht nur unter ökonomisch ausgerichteten Strategien funktioniert. Hier sind wir mit Hamburg Marketing (HMG) im regelmäßigen Austausch, dass der Scheinwerfer nicht nur auf die großen Musical-Bühnen gerichtet wird, sondern auch auf die bundesweit ausgezeichneten und renommierten Kultureinrichtungen."

Für Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard ist es "ermutigend, dass es seit etwa einem Jahr eine vorsichtige Bewegung von HMG und Hamburg Tourismus (HHT) gibt, Hochkultur, internationale Performance, Theater und Tanztheater sowie große Ausstellungen zu vermarkten und nicht mit Populärkultur, Musicals und dem Hafen für Hamburg zu werben. Wenn Hamburg das flirrende Image einer internationalen Metropole aufbauen will, müssen die jungen Kunst-, Tanz- und Theaterszenen sowie subkulturelle Bewegungen ebenso zu Aushängeschildern des Stadtmarketings werden wie internationale Neu- und Großproduktionen, internationale Tourneen und die Größen aus der Musik- und Clubszene. Hamburg ist viel cooler und innovativer, als es Auswärtige wahrnehmen. Gut, dass in Zukunft auch dieses Image in die Welt getragen werden soll. Erste kleine Schritte in diese Richtung sind getan."

Der Standpunkt von Christoph Twickel, Mitverfasser des 2009 veröffentlichten "Not in Our Name, Marke Hamburg"-Manifests, ist ein ganz anderer: "Mag sein, dass Touristen nach Hamburg strömen, um sich globalisierte Musicals, Cruise-Days, Motorrad- oder Schlager-Paraden oder anderen Entertainment-Junk anzuschauen. Von mir aus. Aber warum sich die öffentliche Hand als Werbegehilfin für solche Events hergibt, habe ich noch nie verstanden. Dass HHT und HMG das als Konzept ,Stärken stärken' verkaufen, ist eine intellektuelle Beleidigung und hat mit Kulturförderung nichts zu tun. Ich verstehe den Ärger der Kulturinstitutionen über die Mittelverschwendung - natürlich ist ein Museum oder ein Theater mehr auf Unterstützung für Öffentlichkeitsarbeit angewiesen als ein Entertainment-Multi, der sich Medienpräsenz kauft und diese Unkosten in die Tickets einpreist. ,König der Löwen' oder ,Rocky' haben mit der Hamburger Kulturlandschaft nichts zu schaffen, das sind globalisierte Produkte, die mit der Stadt, in der sie verkauft werden, etwa soviel zu tun haben wie die Colaflasche mit dem Supermarktregal, in dem sie steht."