Ein Streitgespräch über die Kulturstadt Hamburg und ihre Vermarktung

Kulturmetropole will und soll Hamburg sein. Doch wie vermarktet man diesen guten Vorsatz im Rest der Welt? Und womit? Vor allem mit Musicals und Hafen oder auch noch stärker als bisher mit anderen Kultursparten? Als Thalia-Intendant Joachim Lux, Kunsthallen-Direktor Hubertus Gaßner und Dietrich von Albedyll (Hamburg Tourismus, HHT) darüber sprachen, gab es nicht immer viel Harmonie.

Hamburger Abendblatt:

Weil es gerade so gut in die Vorweihnachtszeit passt: Sind bei Ihnen noch Wünsche zur Kulturvermarktung durch die Stadt offen?

Joachim Lux:

In der Vergangenheit war das Verhältnis ja doch erheblich gestört. Jetzt bilden sich so langsam die ersten zarten Pflänzchen aus.

Dietrich von Albedyll:

Ich glaube, wir sind in vielen kleinen Schritten aufeinander zugegangen. Dabei gab es auch Missverständnisse und Spannungen, weil das Verständnis füreinander noch nicht vorhanden war.

Dass Kultur in Hamburg stattfindet und man damit auch mal werben könnte, ist doch keine überraschende Neuigkeit.

Hubertus Gaßner:

Wir haben 2007 eine Studie über Kultur als Wirtschafts- und Imagefaktor gemacht. Es war eindeutig so: Die Museen haben ihr Publikum und sind ein Anlass für Menschen, in die Stadt zu kommen. Trotzdem ist es weiter so gewesen, dass sie in der Vermarktung Hamburgs keine Rolle spielten. Sie sind nicht Teil des politischen Auftrags, es sind Hafen, Musicals und Sport, da können Sie machen, was Sie wollen.

Von Albedyll:

Unsere letzte Studie von 2009 signalisiert eindeutig, dass Kultur einer der Hauptanreize ist, um in eine Stadt zu kommen. Die Definition von Kultur ist bei den Verbrauchern allerdings sehr weit gefasst.

Lux:

Ich bezweifle diese "Kultur"-Studie. Man versucht, allem den Mantel Kultur überzuhängen, gegen den niemand sein kann. Damit wirft die Studie inhaltsleere Nebelbomben, um weiter hauptsächlich Massenkultur bewerben zu können - das ist Begriffsdesign. Ich glaube nicht, dass jeder, der in ein Musical geht, danach fast automatisch auch Staatsoper oder Kunsthalle besucht. Den uralten Unterschied zwischen Massenkultur und "Hochkultur" gibt's einfach. Man mag das bedauern, aber es ist nicht wegzudiskutieren.

Von Albedyll:

Wir betreiben ja nicht im klassischen Sinne Kulturförderung, wir machen Tourismusmarketing. Es geht um die generelle Außenwirkung der Stadt, das Potenzial ist vorhanden.

Wie kann es sein, dass bei dieser Umfrage über das, was Hamburgs Bild kulturell prägt, der Hafen so klar vorn ist - noch vor Theatern und Museen?

Von Albedyll:

Die Menschen nehmen Hamburg so wahr. Das Maritime prägt das Image der Stadt.

Wenn die Kulturtaxe kommt, wird alles besser und schöner?

Gaßner:

Für uns ist das ein absolutes Nullsummenspiel. Es gibt den Ausstellungsfonds, der soll ab 2013 nicht mehr über die Stadt finanziert werden. Die zwei Millionen Euro sollen aus der Kulturtaxe kommen. Das heißt, wir bekommen vermutlich keinen Cent mehr.

Will Hamburg Marketing (HMG) dann noch mehr der Regel "Stärken stärken" folgen oder auch Vielfalt zeigen?

Von Albedyll:

Wir wollen die Stärken stärken, und das finde ich auch richtig. Die Etats sind nicht unendlich. Die HHT erhält Zuwendungen in Höhe von 2,3 Millionen Euro, die HMG 4,3 Millionen Euro. Der reine Marketingetat beträgt durch Kooperationen und die eigenwirtschaftliche Vermarktungsinitiativen der HHT 7,3 Millionen Euro.

Von welchen Stärken reden wir?

Von Albedyll:

Von der Kultur generell, dazu gehören auch die Musicals. Es ist schon verwunderlich, dass wir uns in Hamburg mit diesem Genre so schwertun. Jetzt und künftig werden wir mit der Hochkultur über die Elbphilharmonie noch deutlichere Akzente setzen.

Lux:

Wir, die Kunsthalle, das Thalia, die Oper, wir sind die Grundlage für das, was mit der Elbphilharmonie kommt. Man muss jetzt mit den Vorbereitungen beginnen und das Segment der Hochkultur offensiv nach vorn stellen. Tut man das jetzt nicht, wird man es zukünftig nicht wieder einholen.

Von Albedyll:

Es gibt eine klare Absprache zwischen den Marketinggesellschaften und der Kulturbehörde, die Elbphilharmonie als Speerspitze für die Bewerbung der Hochkultur zu nutzen. Noch gibt es kein Eröffnungsdatum, aber unsere Vorstellung ist, Aktivitäten zu entwickeln, die weit über das hinausgehen, was jetzt passiert. Wir werden dieses Thema vorerst weiter begleiten, Hamburg Marketing hat jährlich einen fünfstelligen Betrag, um die Kommunikation darüber aufrechtzuerhalten.

Kultursenatorin Kisseler hat kürzlich in der "Süddeutschen" zu Protokoll gegeben, dass es in der gemeinsamen Vermarktung unterschiedlicher kultureller Veranstaltungen durchaus noch Nachholbedarf gäbe. Euphorie klingt anders.

Lux:

Entscheidend bleibt: Wie lässt sich mit den Aushängeschildern so kräftig für das Image der Stadt werben, dass man sagt: Hamburg ist Stadt der Kultur im eigentlichen engeren Sinne? Als wir in Avignon gastierten, haben wir Hamburg Marketing dazu angeregt, dort einen Empfang auszurichten. Der unmittelbare Effekt ist vermutlich nicht zu errechnen. Aber der Image-Faktor für die Stadt, der ist vielleicht nicht unerheblich. Das zieht Touristen an.

Von Albedyll:

Und daher hat sich die Hamburg Marketing auch an den Kosten und der Organisation beteiligt.

Wien hat gezeigt, wie man es machen kann, als auf einer Leinwand vor der Elbphilharmonie Live-Übertragungen aus der Wiener Staatsoper gratis präsentiert wurden. Was würden Sie für eine derartige Aktion über Hamburg nehmen?

Von Albedyll:

Denkbar ist vieles, allerdings müssen Projektvorlauf und Finanzierung gesichert sein. Vergleichbares ist im Moment nicht geplant.

Lux:

Aber warum nicht? Sie haben so etwas noch nie geplant.

Von Albedyll:

Wir haben andere Schwerpunkte. Lassen Sie uns so etwas gemeinsam voranbringen. Dann müssen aber alle an einem Strang ziehen.

Gaßner:

Also, wir machen bei der Tourismus-Messe ITB in Berlin einen eigenen Stand. Das zahlen wir selber. Es gibt da eine Kulturhalle, wir verteilen Tausende grüne Kunstmeilen-Tüten ...

Von Albedyll:

Die Kunstmeile bewerben wir bei uns am Stand aber auch.

Gaßner:

Aber an unserem Stand sind wir als Kultur sichtbar.

Bewerben Sie die Hochkultur weniger, weil es sich für die HHT nicht lohnt?

Von Albedyll:

Wir laden die Kultur zur Zusammenarbeit ein, aber finanziell sind uns enge Grenzen gesetzt.

Dann sind Sie mit Ihrer Marketingdevise "Stärken stärken" schnell am Ende. Wir reden nur von Hamburger Stärken.

Von Albedyll:

Aber sehen Sie, was wir zu leisten haben. Wenn Sie Schwerpunkte setzen in der Qualität wie die Wiener, dann müssen solche Projekte separat geplant und finanziert werden.

Es hält Sie niemand davon ab.

Lux:

Sie geben das Geld für Massenkultur aus, und weil Sie das tun, haben Sie nichts mehr für die Hochkultur übrig.

Von Albedyll:

Diese Sackgasse finde ich jetzt schade. Die HHT ist natürlich auch ein Profitcenter. Wir verdienen Geld mit Dienstleistungen, das wir dann wieder 1:1 für touristische Vermarktung einsetzen. Durch unsere Aktivitäten und Kooperationen erreichen wir eine Eigenfinanzierungsquote von über 75 Prozent. Populäres findet bei uns natürlich entsprechend statt ...

Lux:

Bei dem Geld, das ich als Stadt in die Hochkultur pumpe, wäre ich doch nicht richtig gebacken, wenn ich den Erfolg dieser Institutionen nicht als Werbung für mich nutzte. Diesen Auftrag gibt es, ohne dass man ihn ausruft. Da gibt es nicht nur eine Bringschuld unsererseits, sondern auch eine Holschuld jener, die da kompetent sind.

Von Albedyll:

Das ist das, was ich vorhin ansprach: die Qualität der Zusammenarbeit. Wie erfahren wir zum richtigen Zeitpunkt von den Themen und den Schwerpunkten, wie transportieren wir diese. Das ist ein Dialog. Da fehlt eine Institution, ob das nun die Kulturbehörde ist oder wer auch immer, die solch eine Runde schafft.

Diese Institution gibt es doch schon. Sie heißt Hamburg Marketing. Es klingt die ganze Zeit so, als komme man zum ersten Mal darauf, sich zusammenzusetzen.

Gaßner:

Ehrlich gesagt: Ich habe positiv resigniert. Wir stellen uns auf unsere eigenen Beine. Ich erhoffe mir zwar mehr von der Stadt und von Hamburg Marketing, aber die Energie, die ich da reinstecken müsste, nutze ich lieber konkret für andere Dinge. Bestes Beispiel ist die Kunstmeile. Ich habe immer gesagt: Wir müssen uns zuallererst ans Kunst publikum wenden. Wir brauchen die Kunstmeile. Das wurde dann ewig diskutiert, nichts ist geschehen. Dann haben wir entschieden: Wir machen eine Kunstaktion draus. Wir haben zehn Künstler eingeladen und Fahnen zur Kunstmeile aufgestellt. Jetzt gibt es den Kunstmeilenpass, wir sind damit auf allen wichtigen Messen, das wird sehr gut angenommen. Aus eigener Kraft. Ich habe da keine Hilfe gesehen.

Von Albedyll:

Ich bin ja nicht "die Stadt", um das noch mal klar zu sagen. Die Finanzierung der Infrastruktur für Kultureinrichtungen ist nicht unser Auftrag. Wir machen im Rahmen der Möglichkeiten, und die sind gut, Marketing für die Stadt. Und die Kunstmeile unterstützen wir in vielen Aspekten.

Gaßner:

Das stimmt, mittlerweile spüren wir das bei der Kunstmeile, aber das ist trotzdem das Klima der Stadt.

Lux:

Einerseits möchte ich Herrn von Albedyll entlasten: Wenn sich Museen zusammentun, um sich besser zu vermarkten, ist das doch gut. Andererseits: Jetzt gibt es die Kunstmeile. Jetzt müssten Sie das dankbar aufgreifen, Herr von Albedyll, oder sehe ich das falsch?

Gaßner:

Was mich umtreibt, ist auch: Die Kunsthalle gehört seit Jahren zu den bestbesuchten deutschen Kunstmuseen. Das taucht aber nirgends auf! Das Städel in Frankfurt hat 100.000 Besucher weniger als wir, die Qualität der Ausstellungen ist hier und dort hoch. Wieso sind die in aller Munde? Frankfurt unterstützt das Haus sehr stark, weil man vom Ruf wegkommen will, nur Finanzstadt zu sein. Reines Marketing. Da schaue ich neidisch nach Frankfurt.

Lux:

Ja, die Goethestadt Frankfurt, klassisches Beispiel für einen gelungenen Imagewechsel. Auch in Hamburg gibt es vom Bürgermeister einen klaren Auftrag: die Gewichtung der Hochkultur im Selbstbild der Stadt erheblich zu erhöhen. Wenn Sie sagen, Sie haben die Mittel nicht, sage ich: Stimmt nicht! Sie haben sich entschieden, sie für anderes auszugeben. Das ist auch kein Vorwurf, da Sie sich selbst finanzieren müssen. Sie sind darauf angewiesen, Geschäfte zu machen. Und Sie glauben, dass Sie diese Geschäfte mit uns nicht machen können. Sonst gibt es doch keinen Grund, das nicht zu tun! Jetzt! Nicht in zwei Jahren oder wann immer die Elbphilharmonie da ist. Uns gibt es schon!

Von Albedyll:

Gut. Hier gibt es natürlich Verbesserungspotenzial. Wir reden miteinander, wir sind auf einem guten Weg. Aber es ist keine Einbahnstraße, wir müssen hier einfach zusammenrücken und crossmediale Synergien nutzen. Ich sitze ja hier, damit wir Wege der Zusammenarbeit finden. Aber ich erinnere erneut an die in den vergangenen Jahren umgesetzten Kooperationen. Und es gibt viele Entwicklungen, mit denen wir zu tun haben, die im ersten Moment nicht wie ein Investment in die Kultur aussehen: eine neue Flugverbindung nach Hamburg zum Beispiel. Wenn mehr Leute kommen können, profitiert natürlich auch die Kultur.

Wenn Sie eine Note vergeben müssten für die Vermarktung der kulturellen Arbeit dieser Stadt, welche wäre das?

Gaßner:

4+

Lux:

Wir versuchen uns zusammenzuraufen, aber vor dem Gespräch war ich - ehrlich gesagt - optimistischer, daher: 4, (lacht) mit Chance auf Versetzung.

Von Albedyll:

Ich persönlich empfinde es natürlich ein bisschen positiver.

Eine längere Version des Gesprächs lesen Sie unter www.abendblatt.de/kulturmarketing