Einen britischen Ritterorden hat er brüsk abgelehnt. Lieber schreibt die Ikone der Mod-Bewegung und Vater des BritPop an neuen Songs.

Hamburg. Als Paul Weller 2006 bei den Brit Awards einen Preis für sein Lebenswerk überreicht bekam, akzeptierte der damals 48 Jahre alte Musiker die Auszeichnung eher unwillig. "Es ist ein wenig wie der erste Nagel zu deinem Sarg", kommentierte er anschließend. Als er im selben Jahr auch noch einen Ritterorden bekommen sollte, verweigerte er die Ehrung. "Steckt euch den CBE (Commander of the Order of the British Empire) in den Hintern", formulierte er brüsk und erklärte später: "Diese Orden sollten an Leute vergeben werden, die ihr Leben lang karitativ gearbeitet haben, aber nicht an Berühmtheiten. Es ist nichts weiter als Propaganda für die gerade amtierende Regierung." Dass der Sänger und Gitarrist, Jahrgang 1958, gerade mit Preisen überschüttet wird, begründet sich in der außergewöhnlichen Rolle, die er in der britischen Rockmusik einnimmt. Paul Weller ist eine Ikone der britischen Mod-Bewegung und der Vater des BritPop, er ist der "Modfather".

Zum sogenannten alten Eisen zählt Weller sich noch lange nicht. In regelmäßigen Abständen veröffentlicht er neue Alben, große Teile des Jahres verbringt er auf Tournee, am 17. Dezember kommt er in die Große Freiheit. Sein aktuelles Album "Sonic Kicks" erschien Anfang 2012, und darauf ist ihm so nebenbei das Kunststück gelungen, die verfeindeten BritPop-Konkurrenten Oasis und Blur in ein Boot zu locken. Sowohl Noel Gallagher, Kopf von Oasis, als auch Graham Coxon, Leadgitarrist von Blur, sind beim Song "The Attic" dabei. Wenn Weller ruft, kommen sie alle, Verweigerung wäre ein Sakrileg. Sein vorletztes Album "Wake Up The Nation" avancierte 2010 sogar zum Favoriten für den renommierten Mercury Prize, musste sich dann aber doch The XX geschlagen geben.

Ähnlich wie David Bowie, der in seiner Karriere immer wieder mit verschiedenen Sounds experimentiert hat, ist auch Paul Weller auf seinen letzten drei Alben einen Weg gegangen, der ihn von den für ihn typischen zupackenden Beat- und groovenden Soulnummern ein ganzes Stück entfernt hat. Durch seinen Produzenten Simon Dine, mit dem er die drei Alben "22 Dreams", "Waking Up The Nation" und "Sonic Kicks" produziert hat, ist Weller auf deutsche Avantgarde-Bands wie Neu! und Cluster gestoßen, er hat die Möglichkeiten von Loops und anderen technischen Neuerungen des 21. Jahrhunderts entdeckt und sie in seine Musik integriert. Für die Aufnahmen von "Sonic Kicks" ist er mit Dine und Graham Coxon extra in die Berliner Hansa-Studios gefahren, um dort ein paar Ambient-Synthi-Beats aufzunehmen. Hier hat auch David Bowie schon in den 70er-Jahren seine Alben "Low" und "Heroes" produziert. "Es findet sich immer noch viel Analoges in meiner Musik, aber wenn es neue Technologien im Studio gibt, darf man sich ihnen nicht verschließen", sagt er. Seine drei letzten Alben klingen modern, aber in ihnen steckt immer noch viel vom alten Paul Weller.

Angefangen hat seine Karriere beim Trio The Jam. 1977 hatten Weller, Bruce Foxton (Bass) und Rick Buckler (Schlagzeug) mit ihrer ersten Single "In The City" gleich einen riesigen Hit. Die Punk- und Powerpop-Band zählte bis zu ihrer Auflösung 1982 zu den erfolgreichsten britischen Combos, weil sie frisch, jung und rotzig war und mit Weller einer erstklassigen Songschreiber und charismatischen Frontmann hatte. Songs wie "Town Called Malice" hat Weller bis heute in seinem Live-Repertoire. Wenn er sieht, wie junge Fans jedes Wort dieses Songs mitsingen, rührt ihn das. "Ich möchte ein Vermächtnis hinterlassen, auf das ich stolz sein kann. Ein Song wie ,Town Called Malice' ist wie öffentliches Eigentum", bekannte er gerade in einem Beitrag für das britische Musikmagazin "Uncut".

Auf seinen Soloalben verarbeitet Weller seinen persönlichen Blues in zu Herzen gehenden Balladen. Wie die schmerzvolle Trennung von seiner ersten Frau D.C. Lee, mit der er zwei Kinder hat und von der er 1998 geschieden wurde, und den Tod seines Vaters. John Weller, der sein Leben lang Pauls Manager war, starb 2009 an Lungenentzündung. Auch seine aktuelle Beziehung reflektiert er in einem neuen Song mit dem Titel "That Dangerous Age" und einem doppeldeutigen Text. Das Lied ist seiner neuen Frau Hannah Andrews gewidmet, die er vor zwei Jahren geheiratet hat und die gerade Zwillinge geboren hat. Auch junge Liebe hält wohl jung, Hannah ist erst 25.

Paul Weller Mo 17.12., 20.00, Große Freiheit 36 (S Reeperbahn), Große Freiheit 36, Karten 43,50; Internet: www.paulweller.com