Den Hamburger Machern von “Enorm“ geht es um mehr als um Auflage und Anzeigen. Friemel und Dorn glauben, eine Marktlücke entdeckt zu haben.

Hamburg. Es begann mit einer Sinnkrise. In seinem Job als Chefredakteur bei einem kleinen Hamburger Zeitschriftenhaus fühlte sich Thomas Friemel, der auch mal stellvertretender Chefredakteur der "Hamburger Morgenpost" war, zunehmend unwohl. Er heuerte einen Coach an, der ihm neue Horizonte aufzeigen sollte. Doch seinem Berater ging der Journalist schon nach wenigen Sitzungen gewaltig auf die Nerven. "Er sagte, er bekäme von mir ständig zu hören, wie sehr mich mein Job ankotze. Ich möge doch, bitte schön, kündigen oder aber ihn ab sofort in Ruhe lassen."

Friemel entschied sich für die Kündigung. Und da sein Coach sich recht gut mit Unternehmen auskannte, die sich sozial engagieren, riet er ihm, sich in dieser Szene umzutun. Das tat sein Klient auch. Bei einer Tagung von Firmen in Berlin, die sich, wie es im Branchenjargon heißt, der Corporate Social Responsibility (CSR) - zu Deutsch: unternehmerischer sozialer Verantwortung - verschrieben hatten, bekam er recht schnell mit, dass es für diese Szene kein eigenes Medium gab. Im Prinzip war das die Geburtsstunde des Wirtschaftsmagazins "Enorm". Die Zeitschrift, die den Untertitel "Wirtschaft für Menschen" trägt, ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Obwohl "Enorm" wohl noch ein Jahr braucht, um in die schwarzen Zahlen zu kommen, gehen schon jetzt 15 Prozent der Abo-Erlöse an neu gegründete Unternehmen, die sich zur Einhaltung besonders hoher ethischer Standards verpflichtet haben. Und nun wurde "Enorm" auch noch von der Journalistenvereinigung Freischreiber mit dem Himmel-Preis ausgezeichnet, weil das Blatt seine freien Autoren besonders gut behandelt. Konkret heißt dies, dass die Autoren von "Enorm" nach Aufwand bezahlt werden. Üblich ist dort ein Tagessatz von 200 Euro.

Was sind das für Leute, die so überaus korrekt zu Werke gehen? Wer die "Enorm"-Macher in einer ehemaligen Fabrik für Druckmaschinen in Ottensen besucht, trifft auf zwei lässige Mittvierziger. Chefredakteur Friemel hat Alexander Dorn zum Mitmachen bewegen können. Beide kennen sich aus gemeinsamen Zeiten bei der "Mopo". Nun ist Dorn "Enorm"-Geschäftsführer und sagt gleich zu Beginn, damit auch ja keine Missverständnisse aufkommen: "Wir machen das hier nicht, weil wir Gutmenschen wären."

Friemel und Dorn glauben, eine Marktlücke entdeckt zu haben. Und es läuft ja auch nicht schlecht. Seit diesem Jahr liegt das Blatt nicht mehr nur einmal im Vierteljahr, sondern alle zwei Monate am Kiosk. Der Social Publish Verlag, in dem das Magazin erscheint, zählt inzwischen elf Mitarbeiter. Die verkaufte Auflage von "Enorm" liegt bei etwa 20.000 Exemplaren. Die Hälfte davon entfällt auf Abonnements und den Einzelverkauf. Diesen Wert wollen Friemel und Dorn in den nächsten Jahren auf 60.000 Exemplare steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, haben die beiden das Spektrum ihrer Berichterstattung um die Facette "ethischer Konsum" erweitert. In der aktuellen Titelgeschichte "Der wahre Preis" geht es darum, was ökologisch und sozial faire Produkte wirklich kosten. Sehr gut lief im Juni der Titel "Die modernen Sklaven", in dem es um "Leiharbeit, Befristung, Kürzungen und Stress" ging.

Derzeit denkt Dorn darüber nach, auch einen Anteil der Anzeigenerlöse sozialen Start-ups zukommen zu lassen. Und warum tut Dorn das, wenn er kein Gutmensch ist? In der CSR-Branche ist ein solches Verhalten keineswegs unüblich. So steckt auch in "Enorm" das Geld anderer sozialer Unternehmer. Wichtigster Geldgeber ist der Gründer von MyPhotobook.de, David Diallo.