Der Hamburger Unternehmer Hans Barlach errang vor Gericht einen Punktsieg. Ulla Unseld-Berkéwicz als Geschäftsführerin abberufen.

Berlin. Sollte dies der Anfang vom Ende gewesen sein? So sang- und klanglos, unpathetisch, grotesk-beamtenhaft? Im Saal 3809 des Landgerichts Berlin-Mitte verloren sich ein knappes Dutzend Journalisten, ein Schriftsteller (Rainald Goetz, im Nebenberuf Gerichtsprotokollant) und ein Anwalt der Klägerseite, als der Richter sein Urteil herunterratterte. 12 Uhr ging es los, 12.12 Uhr war man fertig, die Literaturkritiker schauten ratlos: Hatte der Mann gerade wirklich gesagt, Ulla Unseld-Berkéwicz sei als Geschäftsführerin des Suhrkamp-Verlages abberufen? Fin de partie?

Der Reihe nach: Suhrkamp ist eine GmbH und Co. KG. Die Gesellschafter sind: die Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung (61 Prozent), die de facto Unselds Witwe Ulla Berkéwicz gehört, und die Medienholding AG Winterthur des Hamburger Unternehmers Hans Barlach (39 Prozent). Beide liegen erbittert miteinander im Clinch. Es geht um die Macht im Verlag; Barlach will über den Kurs mitbestimmen.

Vor einem Frankfurter Landgericht haben die beiden Parteien sich gegenseitig auf Ausschluss aus der Gesellschaft verklagt; Barlach hat gar die Auflösung der GmbH beantragt. Dann müsste der Verlag tatsächlich zerschlagen werden. Angesichts der zerrütteten Beziehung keineswegs unrealistisch.

In Berlin stand nun ein vergleichsweise beiläufiger Streit an. Ulla Berkéwicz hat in ihrer Villa im noblen Viertel Nikolassee Räume an den Verlag vermietet. Dagegen hat Barlach geklagt, das Gericht hat ihm nun Recht gegeben - auch für den Laien nachvollziehbar, denn sich quasi selbst die eigene Villa zu vermieten und so das Geld vom Verlags- auf das Privatkonto zu transferieren, scheint doch ein Geschäftsmodell mit Geschmäckle zu sein. Bis zu 75.000 Euro jährlich hätte man die Zustimmung des Minderheitsgesellschafters nicht gebraucht. Mit den Nebenkosten aber überschritt man offenbar die Schwelle und lieferte Barlach die offene Flanke.

So wurden nun im ersten Verfahren die drei Suhrkamp-Geschäftsführer- Ulla Unseld-Berkéwicz, Thomas Sparr und Jonathan Landgrebe zu rund 300.000 Euro Schadenersatz verurteilt. Im zweiten Teil dann Sätze wie dieser: "Der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 17.11.2011 gefasste Beschluss 'Es wird abgelehnt, die Geschäftsführerin Frau Unseld-Berkéwicz aus wichtigem Grund von der Geschäftsführung abzuberufen' wird für nichtig erklärt." Bei Suhrkamp ist die Verlegerin qua Gerichtsbeschluss nicht mehr Herrin im Haus.

War man gerade Zeuge der lautlosen Implosion des einflussreichsten Verlags der Bundesrepublik geworden? Beim Verlag gibt man sich "schockiert und überrascht", wiewohl das Urteil noch lange nicht rechtskräftig ist. Suhrkamp-Anwalt Peter Raue sagte, an der derzeitigen Geschäftsführung ändere sich nichts. Man will in Berufung gehen. Es scheint aber, als habe Barlach einen wichtigen Etappensieg errungen. Seit seinem Einstieg bei Suhrkamp 2006 versucht der Hamburger Investor, Einfluss auf den Kurs des Hauses zu nehmen. Was er genau vorhat, bleibt im Dunkeln; im Buchgeschäft hat er keine Erfahrung. Und Suhrkamps Literaturprogramm lässt wenig zu wünschen übrig - außer vielleicht den ein oder anderen Bestseller. Geht Suhrkamp also zu Ende? Dann wird man es wenigstens ein literarisches Endspiel nennen können - absurdes Theater, irgendwo zwischen Kafka und Beckett.