Der ARD-Dokumentation “Was macht Merkel?“ von Stephan Lamby und Michael Wech fehlt der exklusive Zugang zur Kanzlerin.

Hamburg. Die Regierungschefin unter Druck: Nichts klappt in der Koalition, der Pressesprecher hat was mit der blondesten aller TV-Reporterinnen, und zu Hause läuft es auch nicht. So kann's gehen als Frau einsam an der Spitze, aber irgendwie machtlos. Was tun? Am besten das Klein-Klein vergessen und kurz die Welt retten. So macht es die erfundene Ministerpräsidentin Birgitte Nyborg (fantastisch: Sidse Babett Knudsen) in der Arte-Serie "Gefährliche Seilschaften". Wenn alles schiefgeht im Staate Dänemark, dann löst sie einen bewaffneten Konflikt in Afrika, bringt die Parteien zu Friedensverhandlungen an den Tisch.

Und "Was macht Merkel?" Das ist der Titel eines neuen Films von Stephan Lamby und Michael Wech und eine berechtigte Frage, ohne deren Beantwortung viele Deutsche offensichtlich abends nicht einschlafen können. An diesem Montag sendet das Erste die Dokumentation über die "Kanzlerin in der Eurokrise" um 22.45 Uhr. Das ist ein guter Sendeplatz. Schon vor Wochen zeigte die ARD montags nach den immer austauschbarer werdenden "Tagesthemen" ein ambitioniertes Porträt von Gesine Enwaldt über "Merkels streitbare Ministerin" Ursula von der Leyen. Die Autorin kam der politisch umstrittenen Arbeitsbiene recht nahe.

Das Fernsehautoren-Duo Lamby/Wech hätte sich in seiner Merkel-Momentaufnahme daran und an dem erfundenen Vorbild der Arte-Serie ein Vorbild nehmen sollen. Dabei erklären sie noch ganz geschickt, wie eine einstündige Irrfahrt Merkels durch Berlin mit der Euro-Krise und den Finanzmärkten zusammenhängt. Sie ist mit ihrer Wagenkolonne zu einem Termin unterwegs und muss währenddessen mit anderen Regierungschefs und vermutlich den Zentralbankern telefonieren. Im Ergebnis rauscht die Kanzlerin an den wartenden Journalisten und ihren Gastgebern vorbei und lässt den Termin platzen. Keine Affäre - aber ein Synonym für die wirklich wichtigen Dinge im Leben der Krisenkanzlerin.

Merkel in Brüssel, vor dem Gipfel, nach dem Gipfel. Merkel in Madrid, Merkel in Athen. Der Film leidet jedoch darunter, dass er einen wirklich exklusiven Zugang nicht bietet, dass die Hauptperson offenbar dem Team nicht zur Verfügung stand, dass Szenen mehrfach nachgestellt werden.

Wie Merkel als "eiserne Kanzlerin" im Ausland wahrgenommen wird, wird recht plastisch vermittelt. Ihre zögerlichen Zugeständnisse zu immer neuen Hilfen für Griechenland, ihre Kommunikationspannen ("Keine Euro-Bonds, solange ich lebe"), ihre Zwänge - all das wird angesprochen. Die wichtigsten Zeugen werden vernommen: von Josef Ackermann über Giorgios Papandreou bis Wolfgang Schäuble und zurück. Die originellsten Zitate liefern SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, auch ein Sozialdemokrat. Steinbrück hat volles Verständnis für Merkel und ihre Irrfahrt durch Berlin. "Sie stehen vor einer sich unfassbar dramatisch zuspitzenden Situation. Insofern gilt in der Situation mein absolutes Mitgefühl der Bundeskanzlerin." In der Darstellung von Merkels politischem Handwerk ist der Film von Lamby/Wech immerhin ein guter Versuch, sich der Unnahbaren zu nähern.

"Was macht Merkel?" heute 22.45 Uhr, ARD