Sänger und Gitarrist Everlast setzt seinen Weg unbeirrt fort und gibt heute ein Konzert in der Fabrik. Über Leiden, Tod und seine Tochter.

Fabrik. Mit der geschulterten Gitarre sieht Erik Schrody aus wie ein Hobo, der auf den nächsten Güterzug wartet, der ihn als Passagier ohne Fahrkarte kreuz und quer durch Amerika bringt. So zogen die Bluessänger früher von Ort zu Ort, der moderne Bluessänger hat es ungleich bequemer, er reist meistens im komfortablen Tourbus. Besonders dann, wenn er so berühmt und bekannt ist wie Schrody, der sich den Künstlernamen Everlast gegeben hat. Dass Blues heutzutage nichts mehr mit den Entbehrungen der ersten Hälfte im 20. Jahrhundert zu tun hat, verdanken schwarze und weiße Sänger besonders den britischen Rhythm&Blues-Kapellen der 60er-Jahre. Die Animals, die Rolling Stones und Led Zeppelin haben den Blues weltweit populär gemacht. Wenn Schrody heute Abend bei seinem Akustikkonzert auf der Bühne der Fabrik steht, bezieht er sich auf deren Vorbilder: auf Muddy Waters, Robert Johnson, aber auch auf Johnny Cash, den legendären weißen König des Country.

Angefangen hat der 43 Jahre alte Sänger und Gitarrist aus New York nicht als Bluesmusiker, sondern als Hip-Hopper. "Ich bin immer noch ein Rapper", sagt Everlast, auch wenn seine Alben wie das aktuelle "Songs Of The Ungrateful Living" nur noch ganz wenige Hip-Hop-Elemente aufweisen. 1991 gründete er zusammen mit dem Rapper Danny Boy und DJ Lethal das Hip-Hop-Trio House Of Pain, das durch gute Songs auffiel, aber auch durch Alkoholexzesse und unerlaubten Waffenbesitz des Öfteren in Konflikt mit der Polizei kam. Bis heute hat Everlast ein gespanntes Verhältnis zu staatlichen Behörden: "I don't trust no government, I don't trust no cops", singt er in dem aktuellen Song "I Get By".

Nach fünf Jahren mit House Of Pain hatte Everlast so tief in die Höllenschlunde hinabgesehen, dass es Zeit für Umkehr und Einkehr war. Er konvertierte zum Islam und reflektierte sein Leben fortan, wie die großen Bluesmusiker es seit Beginn des 20. Jahrhunderts getan haben. Seine Songs beschreiben die eigenen Abgründe, aber viele von Everlasts Liedern sind auch bissige Sozialkommentare. Whitey Ford wird sein neues Alter Ego, und es scheint, als habe er 1998 genau den Nerv der Zeit getroffen: "Whitey Ford Sings The Blues" wurde mit dreifach Platin ausgezeichnet, zwei Jahre später erhielt Everlast einen Grammy für seinen Song "Put Your Lights On", den er für Carlos Santanas Album "Supernatural" und für seine eigene EP "Today" aufgenommen hatte.

Das aktuelle Werk "Songs Of The Ungrateful Living" schließt an all die großartigen Platten an, die Everlast im vergangenen Jahrzehnt aufgenommen hat, die allerdings nicht mehr so erfolgreich waren wie sein Solodebüt. Vor allem "White Trash Beautiful" (2004) floppte, was weniger an der Musik als am Titel lag. "White Trash", Synonym für ungebildete, weiße Sozialschmarotzer, die in Trailerparks leben, ist nicht gerade ein lukrativer Verkaufsslogan, erst recht nicht in Verbindung mit dem Wort "beautiful". Doch Everlast hat seinen Weg unbeirrt fortgesetzt. "Mir ist relativ egal, ob ich Erfolg mit meiner Musik habe. Je älter ich werde, desto mehr zählt, dass ich sagen kann: Ich habe nach besten Kräften gemacht, was ich wollte", erzählt er.

Auf der aktuellen Platte beschäftigt er sich mit dem Tod ("Long At All"), beschreibt seine Leiden und die seiner Tochter, die an Mukoviszidose leidet ("Sixty-Five Roses"), und er geht mit dem US-Establishment ins Gericht. "Moneymaker" ist eine Abrechnung mit dem Kriegstreibern in den USA, die al-Qaida benutzen, um Angst zu schüren, und an jedem bewaffneten Konflikt verdienen, an denen die USA beteiligt sind. Zum Ende des Albums interpretiert er einen Song von Sam Cooke, der zu den Hymnen der Bürgerrechtsbewegung in den 60er-Jahren gehörte: "A Change Is Gonna Come" wird zum Ausdruck von Everlasts tiefer Unzufriedenheit mit den Zuständen in den USA.

Everlast heute, 21.00, Fabrik (S Altona), Barnerstraße 36, Karten 29,-; www.martyr-inc.com