Auch Mitsingen, Tanzen, Im-Takt-Wippen und Klatschen gehören mit dazu bei der Aida Night of the Proms in der O2 World.

Hamburg. Alle können selbst dirigieren. "Sie haben weiße und blaue Leuchten am Eingang bekommen", sagt Moderator Uwe Bahn. "Damit schwenken Sie, in Moll oder Dur, langsam oder schnell. Wir testen das jetzt mal." Dann spielt das Orchester die Ouvertüre aus "Die schöne Galatheé", ein Walzer in G-Dur, 75 Musiker, Streicher, Bläser, dazu eine Band mit Schlagzeug und E-Gitarre. Und die 10.000 Dirigenten auf ihren Plastiksitzen in der O2 World schwenken ihre Lichtchen. Zumindest die erste Minute des Stücks. Aber es geht ja auch gerade erst los, bei der Aida Night of the Proms an diesem Sonnabendabend.

Dann sitzt der Niederländer Remy van Kesteren mit seiner Harfe auf der Bühne. Dieses erhabene Instrument, an dem sonst doch immer Prinzessinnen in einem verlassenen Burgturm zupfen, es steht jetzt mitten auf der Bühne der Halle, im Spotlight, und die Harfe ist auf die Videoleinwand projiziert, so groß wie ein Tennisplatz, damit jeder die dünnen Saiten im Blick hat, über die van Kesteren mit seinen Händen rauscht. Jedes Jahr steht bei der Tour der Show ein Instrument im Mittelpunkt. Klassik trifft Pop, so heißt ja das Motto der Show.

Oder Rock. "Das können wir nämlich am besten", sagt Nicolas Müller, der Sänger der Band Jupiter Jones. Sein Gitarrist trägt Indie-Look, mit Schlabbermütze, enger Jeans und Balkenbrille. Dann spielen sie ein paar Songs. "Es darf auch mit dem Po gewackelt werden." Hamburg sei immer ein Highlight, sagt Müller irgendwann zwischen den Liedern. Und seit einer Woche hätten sie ja schon einen Ohrwurm. Heidi Kabel. "An de Eck steiht'n Jung mit'n Tüddelband." Also muss die Halle jetzt Heidi Kabel anstimmen, findet er.

Eigentlich, sagt der Moderator, gebe es dieses Jahr gleich zwei Orchester, das Il Novecento und die Jungs von Naturally 7 aus New York. Sieben Musiker in lässigen schwarzen Anzüge, die alles mit dem Mund machen: Gitarren, Schlagzeuge, Trompeten und natürlich den Gesang. "Hääääämmmbööörrg, are you having a good time?", rufen sie. "Yeah", ruft die Halle zurück. Fast alle stehen auf, klatschen im Rhythmus mit zu "Walk This Way" von Aerosmith und "Another One Bites the Dust" von Queen. "Brutalst geile Show", sagt ein Mann im Publikum. Es ist kurz nach neun, Jubel, nächste Nummer. Der Moderator kündigt Anastacia an: "Sie ist die Rose des Abends." Dann streut er ein paar Rosenblätter auf die Bühne.

Natürlich spielt die US-Amerikanerin nur die Hits. Wie alle an diesem Abend. "Left Outside Alone", zum Beispiel. "Tanzen ist erlaubt", sagt Anastacia. "Auch mit den Schultern, wenn ihr wollt." Aber da stehen die Zuschauer schon und wippen im Takt. Anastacia, Band und Orchester spielen "I'm Outta Love" und schrauben den Aida-Dampfer ein paar Knoten hoch. Jubel, Anastacias Augenzwinkern, Verbeugung, Winken, Lächeln. Pause. Brezel, Bier, eine rauchen.

Der Moderator kommt mit einem Bilderrätsel aus der Pause. Vorne an der Leinwand blitzen Fotos von Kastagnetten auf, vom spanischen Torwart Iker Casillas, von einem Stier und Barcelona. Ein bisschen Wikipedia-Wissen schadet an diesem Abend nicht. Die Halle ruft die Antworten im Chor. "Na, Sie ahnen schon, es sind alles Bilder aus einem bestimmten Land", sagt der Moderator. "Holland", ruft einer zurück. Ein Lacher. Dann spielt das Orchester ein Stück aus der Oper "La vida breve", bevor die Jungs von Naturally 7 noch mal auf die Bühne kommen.

Der letzte Song der New Yorker A-cappella-Boys ist leise, chorales Summen, weiche Melancholie. Muss ja auch mal sein bei all dem Klatschen im Takt. Dann steht auch schon John Miles zwischen den Mundkünstlern von Naturally 7 und stimmt "Music Was My First Love" an, spielt erst E-Gitarre, dann sitzt er am weißen Flügel mitten im Orchester. Ach ja, es gibt ja auch noch die Leuchten in Blau und Weiß. Bald ist schon Schluss. Aber einer fehlt ja noch.

Mick Hucknall trägt Anzug, ein weißes Hemd und Sonnenbrille. Die Locken sind immer noch so feuerrot, aber der gestutzte Bart unter dem Kinn ist grau geworden. Egal. Hauptsache er spielt die Hits von Simply Red. Macht er dann natürlich auch. "Holding Back the Years" und "If You Don't Know Me By Now". Die Halle steht, die 10.000 Dirigenten schwingen ihre Lichter, jubeln begeistert. "Er kann's noch", sagt einer. Zu "Something Got Me Started" singt John Miles mit. Und zum Abschluss ruft der Moderator alle noch mal auf die Bühne. "Hey Jude" von den Beatles, damit verabschieden sie sich, Verbeugung, dann gehen sie im Applaus.

Auf der Videoleinwand fährt das große Schiff über den Ozean. Draußen, vor der Halle, schneit es. Auf dem Parkplatz stauen sich die Autos.