Markus Heinzelmann inszeniert “Männer Frauen Arbeit“ am Schauspielhaus als Polit-Kabarett-Revue und Abrechnung mit der DDR.

Hamburg. Der Autor Oliver Kluck, nach eigener Aussage keiner, der das Theater und schon gar nicht seinen Unterhaltungsbetrieb bedienen will, wirft Regisseur und Schauspielern kantige Textbrocken vor, an denen diese mal mehr oder weniger kreativ würgen - und auch schon mal ersticken. So spektakulär, mit viel Film, Musik und Nebelschwaden geschehen bei Markus Heinzelmanns Uraufführung von "Männer Frauen Arbeit" im Schauspielhaus. Nach zwei zäh sich hinziehenden Stunden Geisterbahnfahrt durch den Niedergang des Arbeiter- und Bauernstaates applaudierte das Publikum erleichtert und raffte sich nicht einmal mehr zu einem Buhkonzert auf.

Parallel zum Zerfall der Familie eines überzeugten Ministeriumsbeamten schildert der in "Meck Pomm" aufgewachsene 32 Jahre alte Autor in seiner assoziativen Szenen-Collage den Untergang der DDR und rechnet mit dessen politischer Führung ab. Es ist sein bisher persönlichster Text, in dem er sich (v)erbittert seine Verzweiflung über erlebte Benachteiligung (durch die Familie) und Ungerechtigkeit (durch den Staat) von der Seele schreibt, dabei die zentrale Figur eines oft in Monologen sprechenden Ich aufsplittert: Denn sein Ich ist zugleich das der anderen, die sein Ich formten und zurichteten.

Kluck schreibt in seinem "Stück" quasi vehement gegen seine "Ich-Vernichtung" im Kontext deutsch-deutscher Geschichte an, arbeitet sich an mehreren Themenblöcken zugleich ab und verschachtelt sie ineinander. Er attackiert die Blindheit und Borniertheit der DDR-Elite, räsoniert über den Krieg der Geschlechter, die (Un)Lust am Sex, den Überlebenskampf in der Arbeitswelt. Der Vater-Sohn-Streit erinnert kaum zufällig an die Feindschaft zwischen dem rebellischen Schriftsteller Thomas und dem SED-Hardliner Horst Brasch, der es bis zum stellvertretenden Kulturminister brachte. Kluck paraphrasiert in seinem Stücktitel jenen von Braschs "Frauen Krieg Lustspiel".

Ein Kernproblem des Textes für Regisseur und Darsteller sind Klucks "Nicht-Figuren", genannt "Ganz oben" , "Oben" "Mitte" , "Unten" oder "Vatertöchter", "Tochtersohn" und immer wieder das zentrale "Ich". Denn sie formulieren auch Klucks Kritik an ihnen selbst, sind eigentlich seinem Hirn entsprungene Hassprojektionen beim Verarbeiten der Erinnerungen und Verletzungen, seiner Komplexe und Wut. Dafür eine plausible, packende szenische Lösung zu finden, ist die (von den Produzenten mit der Auftragsarbeit) gesuchte und auch gewollte Herausforderung, mit der Chance zu scheitern.

Markus Heinzelmann veranstaltet eine Materialschlacht mit einer "Burg des Grauens" (Bühne: Gregor Wickert). Er lässt einen Spielzeugpanzer auffahren, die "rote Festung" zusammenkrachen und mit viel Perücken, Kostümwechseln und falschen Bärten ein Panoptikum der DDR-Führungselite aufmarschieren. Unschwer sind der "Generalsekretär" Erich Honecker und seine eiserne Gattin Margot auszumachen, aber auch der "imperialistische Feind" in Gestalt einer Kanzlerparodie auf Helmut Schmidt. Ärgerlich wird es, wenn Heinzelmann die Sexpassagen im Text noch billig im Video oder Fake-Koitus illustriert oder beim "Stummfilm"-Klamauk über den Untergang Trojas. Da fehlt ein klarer dramaturgischer Zugriff, der den Text entschlackt und die Inszenierung auf den Punkt bringt.

Die Krux ist aber, dass Heinzelmann den eigentlich "innerlichen Text" als eine äußerlich platte Polit-Kabarett-Revue entfesselt. Das achtköpfige Ensemble liefert meist "witzige" Karikaturen, spielt den Text in verteilten Rollen, mit oder ohne Mikro oder Musik (Viktor Marek live im Blumenkleid) oder liest ihn auch mal vom Blatt. Am ehesten vermag sich noch Samuel Weiss als eisgrauer, zynischer Genossentypus aus der Affäre zu ziehen.

Letztlich banalisiert, verharmlost und zersplittert Markus Heinzelmann mit seinem Hyperaktionismus die Stoßkraft dieses überbordenden, von einer wilden Verzweiflung getriebenen Textschubs. Vielleicht könnte ihm die streng musikalische Form eines intensiven, auf das Ich konzentrierten Sprach-Spiels beikommen und die eigentliche Uraufführung bescheren.

"Männer Frauen Arbeit" 26.1. 2013, Karten unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de

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