Regisseur Fatih Akin über seinen Dokumentarfilm “Müll im Garten Eden“

In der Langzeitdokumentation "Der Müll im Garten Eden" erzählt Fatih Akin von der Errichtung einer Mülldeponie in Çamburnu, dem Heimatdorf seiner Großeltern am Schwarzen Meer. Mit dem Film war er als einziger Regisseur aus Deutschland beim Festival in Cannes vertreten.

Hamburger Abendblatt:

Sehen Sie Ihren eigenen Müll jetzt mit anderen Augen?

Fatih Akin:

Es gibt dieses Bild von der überschwemmten Deponie, auf der ein Lkw steht und den Müll herauspresst. Das sieht aus, als würde man jemand beim Stuhlgang beobachten. Müll ist der Kot der Gesellschaft. Ich habe mich fünf Jahre mit dem Thema beschäftigt. Und irgendwann wird Müll einfach wieder nur zu Müll.

Sie haben vorher noch nie eine Langzeitdokumentation gemacht. Was haben Sie gelernt?

Akin:

Geduld und einiges über Dramaturgie. Der Film ist eigentlich aus Wut entstanden. Ich wollte den Leuten in Çamburnu helfen und habe gedacht, wenn ich es nur aggressiv vermarkte, dass ich diesen Film drehe, würde ich die Gegenseite einschüchtern. Irgendwann ist mir aufgegangen, dass das Dorf selbst der Protagonist sein musste. Es geht nicht nur um Müll, sondern um das Landleben in der Türkei.

Sie konnten den Bau der Deponie nicht verhindern. Was wollen Sie jetzt noch mit dem Film erreichen?

Akin:

Eine Bereitschaft der Leute, sich zu informieren. Es soll in einer benachbarten Provinz ja noch eine Deponie gebaut werden. Vielleicht kann der Film dazu beitragen, dass nicht nur eine Handvoll Leute dagegen protestiert, sondern die Gegenbewegung massiver wird. Umweltsünden gibt es in dem Land jede Menge. Am Schwarzen Meer soll ein Atomkraftwerk gebaut werden. Ein Volk kann eine Diktatur zu Fall bringen. Dazu muss man ihm Material an die Hand geben.