“Männer Frauen Arbeit“, ein Text des 32-jährigen Autors Oliver Kluck, wird auf dem Spielfeld des Schauspielhauses uraufgeführt.

Hamburg. Er kommt mit dem unentbehrlichen Stoffbeutel angetrabt. Ohne die ausgebeulte Tasche kann man sich den Autor Oliver Kluck schwer vorstellen. Seine Hände umklammern die Griffe, als gäben sie ihm Halt, nicht er ihnen. Zwar wechseln Aufdrucke und Farben, der Inhalt scheint jedoch immer das unbedingt Nötige zu enthalten. Auf sein neues Stück angesprochen, das er im Auftrag des Schauspielhauses schrieb, sprudeln die Antworten nur so aus ihm heraus - ähnlich schnell und sprunghaft wie die Figuren oder genauer "Nichtfiguren" ihre Tiraden in seinen Stücken abfeuern.

"Männer Frauen Arbeit" ist nach "Warteraum Zukunft" und "Leben und Erben" das dritte Kluck-Werk, das an der Kirchenallee uraufgeführt wird. Markus Heinzelmann inszeniert auf dem Spielfeld im Großen Haus den "Theatertext" - wie man sich nach kurzer Debatte über das "Schimpfwort Textfläche" für Klucks wortmächtige, wutgetriebene Wortergüsse einigt.

Die Tasche in Griffnähe abgelegt, redet sich Kluck warm und in Rage. "Männer Frauen Arbeit" handle davon, was der Titel verspreche: Es gehe um Beziehungen zwischen den Geschlechtern und in der Familie, die genau so kaputt seien wie die Systeme, in denen wir leben. Kluck bleibt also am Ball in seinen literarischen Sturmläufen, verfolgt seine Reflexionen über die Arbeitswelt, die Gerechtigkeit und die "Harlekinsdemokratie, die dem Volk weismacht, es würde im Staat bestimmen können."

Die zentrale Figur ist ein Ich, in dem sich Klucks Ansichten manifestieren. Dieses Ich ist aber zugleich ein anderer, nimmt die Gestalt eines älteren Ministeriumsfunktionärs an. "Er bricht im Privaten zusammen, wie es parallel dazu sein Staat tut. Ich habe die DDR untergehen sehen, habe das nicht ganz begriffen, war aber fasziniert davon, als das Verfilzte und Vermoderte weggefegt wurde." Mit Genugtuung in der Stimme setzt Kluck nach: "Staaten sollten öfter untergehen. Aber wie ein ganzes Land dann in der Übernahme durch den Westen als Unterschicht behandelt wurde, grenzte an Kriminalität."

Da ist sie wieder, die Forderung nach der Gerechtigkeit und Würde, begründet auch in Klucks Biografie. "Ich habe lange das Gefühl gehabt, an der falschen Stelle zu sein", bekennt er. "Ich war in der Haupt- und Realschule, meine Zukunft war es, am Bau verheizt zu werden, während den Gymnasiasten die Türen offen standen." Er besuchte die Ingenieurschule in Rostock und arbeitete auch am Bau. "Ich habe von der Zeit profitiert und interessante Charaktere kennengelernt. Ich war nicht gesellschaftsfähig, in einer Außenseiterposition und konnte daher beobachten. Das ist perfekt für das Schreiben." Fühlt er sich jetzt als erfolgreicher Autor gesellschaftsfähig? "Heute bin ich noch weniger gesellschaftsfähig."

Eine harte Spielzeit mit zehn oder elf Uraufführungen in Chemnitz, Rostock, Wien, Hamburg und sogar drei in Graz liegt hinter ihm. "Im Sommer ging gar nichts mehr." Auf die dreiste Frage, ob er denn vom Schreiben jetzt leben könne, warte er schon, sagt Kluck. "Ich frage Sie ja auch nicht, ob Sie von Ihrem Job leben können." Noch ginge es. "Deshalb mag ich Auftragsstücke lieber, da muss ich nur zehn Prozent abgeben", plaudert der Buchproduzent aus seiner Buchhaltung. "Nach diesem Stück habe ich noch einen Auftrag. Für Graz bearbeite ich den Roman 'Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend' von Andreas Altmann." In dieser Abrechnung mit der Familie scheint es Parallelen zu geben, die Kluck beschäftigen: "Mein Familie wetterte zwar gegen die Ausbeuter, aber schaffte es nicht, den Nachwuchs mental zu stärken. Ich bin in Stralsund aufgewachsen, aber ein Wachsen war nicht möglich bei diesem kulturellen Defizit."

Auch ein Vater-Sohn-Konflikt findet sich in "Männer Frauen Arbeit". Den Theatertext schrieb er wie alle seine anderen in mehreren Fassungen, besteht darauf, dass sie nicht über Versuche hinausgehen, bei denen er öfter die Kontrolle verliere. "Ich spiele Klarinette, und wenn man da zu sehr drückt, gibt es ein hässliches Quietschen. Ich habe das nie ganz wegbekommen und schließlich eingesehen: Das Quietschen ist Teil meines Spiels. So ähnlich ergeht es mir auch beim Schreiben." Auf die Musikalität seiner Texte, den Klang und Rhythmus der Worte legt er großen Wert. Sich dabei an Richtlinien aus seinem Schreibstudium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig zu halten, helfe da wenig. "Wenn ich das Gegenteil davon mache, komme ich weiter. Es ist wie auf vereisten Straßen zu fahren. Ein bisschen zu schlittern, ist spannend, wenn ich allein fahre."

In seinen Stücken sieht Kluck auch Ähnlichkeiten zur modernen Malerei. "Es sind keine Bilder, auf denen sich ein Haus im See spiegelt und rundherum stehen Tannen." Sie glichen eher Palimpsesten. Man denke etwa an Gemälde von Neo Rauch, in denen Arbeits- und Alltagswelt, die deutsch-deutsche Geschichte und persönliche Katastrophen albtraumartig ineinander gleiten. Das Publikum in der Lebensrealität abzuholen hält er für Schwachsinn. Auf sie über die literarischen Möglichkeiten zu reagieren, sieht Kluck als einzige Chance: "Über die Allegorie, die Abstraktion und die Überhöhung." Theater mag er eigentlich nicht, nur die Idee des Theaters. "Sein Erfolg hängt doch vom Erzeugen produktiver Unruhe ab und nicht von der Anzahl der verkauften Karten." Dennoch fühle er sich im Schauspielhaus gut aufgehoben. Zwar hatte es zwischen ihm und der Leitung vor der Uraufführung von "Leben und Erben" gekriselt, weil sie gegen seinen Willen als "Hamburg-Stück" angepriesen wurde. "Sie beschäftigen mich, obwohl ich ein Problempatient bin, der nicht loyal ist und so wenig lobt." Er besucht auch die Proben und behauptet: "Ich will nicht kontrollieren, sie sollen frei arbeiten können, aber nichts eigenes dazuschreiben." Dann schnappt sich Oliver Kluck seinen Stoffbeutel, um zu sehen, wie sich sein Theatertext auf der Probebühne entwickelt.

"Männer Frauen Arbeit" Uraufführung Fr 7.12., 20.00, Schauspielhaus, Karten unter T. 24 87 13

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