Hamburg. Es gab Kollegen, die vergeblich darauf warteten, dass Julius Herrmann sie anrief. Oder die nach einem ersten Versuch nie wieder eingeladen wurden, für das Wochenend-Journal des Abendblatts zu schreiben. Die Auswahl war streng. Diejenigen, die den Sprung ins Ressort schafften, lernten dort alles für ihr journalistisches Leben. Wie man ein Magazin macht, wie man es richtig mischt, wie es auf der Höhe der Zeit bleibt. Zum Journal ging nur, wer sich als Schreiber verstand.

Schreiber hat Julius Herrmann sein Leben lang gefördert. Er selbst schrieb äußerst elegant. In den frühen Abendblatt-Jahren parallel zu seinem Vater, dem Theaterkritiker Walter M. Herrmann. Und er schrieb über alles. Über Frauenmorde und verregnete Ernten, über Kriegsheimkehrer und Kinderdörfer, über Architektur und über die Ausschlachtung der "Hanseatic". Aber auch über Geflügelausstellungen und über die Neuanschaffungen der Straßenreinigung. Er schrieb berührend, aber unsentimental.

Julius Herrmann sprühte nur so vor Ideen. Er machte ein Aids-Spezial, als HIV für die meisten noch eine unbekannte Chiffre war; er lud internationale Architekten zu einem Workshop ein, damit sie über die Entwicklung der City Ost nachdenken sollten; grüne Themen waren ihm ein Herzensanliegen. Manche Serien kamen allerdings auch über die ersten beiden Folgen nicht hinaus, weil ihn längst ein anderes Thema inspirierte. Dann stöhnten die Kollegen, die es den Autoren schonend beibringen mussten.

Julius Herrmann hat das Wochenend-Journal von 1971 bis 1992 geleitet. Danach hat er in Hamburg "Hausbesuche" gemacht und große Porträts geschrieben. Nach seiner Pensionierung zog er sich in das schöne klassizistische Herrenhaus bei Mölln zurück, an dem er unablässig herumwerkelte.

Zum Leben, wie Goethe es verstanden habe, gehörten Höhen und Tiefen, Freude und Schmerz, hat Julius Herrmann einmal geschrieben. Auch die Angst. Das alles hat Julius Herrmann jetzt hinter sich gelassen. Am 18. November ist "Jule", wie man ihn beim Abendblatt nannte, nach längerer schwerer Krankheit im Alter von 83 Jahren gestorben.