Im Terrace Hill erklangen Werke der Bach-Preis-Stipendiaten Shen Ye und Leopold Hurt

Hamburg. Im Schatten des Bach-Preises, den die Stadt Hamburg alle vier Jahre verleiht, pflanzt sie auch Setzlinge für die Zukunft der Musik: Sie vergibt Bach-Preis-Stipendien an aufstrebende Komponisten. Am Sonntag präsentierte die Kulturbehörde in der seltenen Rolle als Veranstalterin die beiden Stipendiaten des Jahres 2011, Leopold Hurt und Shen Ye, in einem Konzert im Terrace Hill, einem Klub im fünften Stock des Medienbunkers an der Feldstraße. Vier Stücke standen auf dem Programm, ganz brüderlich von jedem zwei.

Shen Yes elektroakustische Komposition "Sword" (2010) für Flöte, Klavier und elektronische Zuspielung zog den Hörer in eine aufregend eigenständige Klangwelt, in der es stürmend, drängend, sekundenkurz kontemplativ und dann wieder wild auffahrend zuging. Shen wollte hier etwas vom ritterlichen Geist des alten China konservieren. Doch die Moderne war mit ihren vom Computer generierten Klangspuren omnipräsent.

Als musikalische Auseinandersetzung mit der Historie ist auch "Erratischer Block" von Leopold Hurt angelegt. Durch das für Klarinette/Bassklarinette, Violine, Klavier, Schlagzeug, mikrotonale Alt-Zither und Zuspielung gesetzte Stück geistern Klangschnipsel 100 Jahre alter Volksmusik-Schellackaufnahmen aus Bayern und Niederösterreich wie Schemen, ehe sie sich im zweiten Teil der Komposition mehrfach ungestört ausbreiten dürfen. Hurt betreibt seine emotional wirkungsmächtige musikalische Archäologie als niemals historisierende Suche nach der verlorenen Zeit. Die knisternden, verrauschten Jodler und fast tranceartig sich wiederholenden Dreiklangsbrechungen der Volksmusik setzt er konsequent mit den Spielweisen und Klangräumen zeitgenössischer Kammermusik in Beziehung. Ein Set von Kuhglocken dominiert das Schlagzeug, Klarinette und Violine lauschen aus der großen Ferne der Gegenwart auf ihre Rolle als Lieferanten stereotyper alpenländischer Melodien, und Hurt bearbeitet seine scheinbar verstimmte, mikrotonal intonierte Zither auf alle erdenklichen Arten bis hin zu Sounds, die an die E-Gitarrenbehandlung in einer Punkrock-Band denken lassen.

Wie das Vergangene hier als Tonspur der Erinnerung fortlebte, das weckte eine sonderbare Form der Wehmut. Was kann aktueller Musik, die oft bestenfalls interessant gefunden wird, Besseres widerfahren, als Emotionen freizusetzen? Die Musiker des Abends: das Ensemble Decoder mit einigen Gästen. Dass man sich gegenseitig Stühle, Noten und Mikrofone für den nächsten Auftritt zurechtrückte, machte das musikalisch kompetente Erscheinungsbild zudem noch sehr sympathisch.