Sat.1 zeigt nach den „Säulen der Erde” die zweite Verfilmung eines Ken Follett-Romans. Der Film leidet unter der Verkürzung der Geschichte.

Bei der Verfilmung eines Beststellers des britischen Schriftstellers Ken Follett kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Durchschnittlich 6,8 Millionen Zuschauer schalteten im Herbst vor zwei Jahren ein, als auf Sat.1 die TV-Umsetzung des Romans "Die Säulen der Erde" gesendet wurde. Von heute an versucht der Sender, den Erfolg zu wiederholen - mit der vierteiligen Verfilmung von Folletts erfolgreichem Roman "Die Tore der Welt".

Auch wenn die Sat.1-Macher davon ausgehen konnten, dass die Zuschauerzahlen schon wegen der vielen Follett-Fans hoch sein werden, gingen sie auf Nummer sicher. Man vertraute die filmische Umsetzung des 2008 erschienenen Romans, der im England des 14. Jahrhunderts spielt, der renommierten Münchner Produktionsfirma Tandem Communications an. Sieben Monate dauerten die Dreharbeiten, die überwiegend in Budapest stattfanden. 46 Millionen Euro kostete die Verfilmung, 80 Darsteller und 7500 Komparsen waren dabei.

Follett lässt "Die Tore der Welt" zwar an demselben Ort spielen wie "Die Säulen der Erde", jedoch zwei Jahrhunderte später. Der Ort Kingsbridge ist reich geworden, auch dank des erstarkenden Handelsbürgertums. England steht am Vorabend des Hundertjährigen Krieges. Im Verlauf der Handlung wird zudem die Pest das Schicksal der wichtigsten Figuren - Merthin, Caris, Gwenda, Ralph, Godwyn und Wulfric - maßgeblich beeinflussen. Als Zuschauer merkt man dem Film rasch an, was für eine Herausforderung es ist, das 1300 Seiten umfassende Werk umzusetzen. Ken Follett gilt als detailversessener Autor, der sich bei seinen genauen Recherchen von Historikern unterstützen lässt.

Was der Authentizität des Buches zugutekommt, macht es der filmischen Umsetzung schwer. Während im Roman die Figuren auf vielen Seiten anschaulich eingeführt werden und sich in ihrer Rolle "entwickeln" können, muss der Film holzschnittartig vorgehen. Das macht sich vor allem im 1. Teil bemerkbar. In manchen Momenten kann der Zuschauer dem Fortgang der Geschichte nur noch mühsam folgen. Dann werden in rascher Abfolge kurze Szenen aneinandergereiht, in denen das Wesen der Hauptfiguren deutlich werden soll. Wenn die Tagelöhnertochter Gwenda sich dagegen wehrt, von ihrem Vater für eine Kuh an einen wildfremden Mann verkauft zu werden. Oder wenn Caris, die Tochter des Wollhändlers Edmund, erklärt, warum sie nicht heiraten, sondern ihr Leben der Heilung kranker Menschen widmen will.

Diese kurzen Szenen lassen den durchweg guten Schauspielern nur sparsam Möglichkeiten, sich zu entfalten. Vielleicht hätten eine noch weitergehende Verdichtung der Geschichte und möglicherweise auch der Verzicht auf die eine oder andere Figur dem Film gutgetan. Keine Verfilmung hätte jedoch den Makel wettmachen können, auf den Kritiker bereits bei der Besprechung des Buches verwiesen: Es fehlt der rote Faden. Der Zuschauer, der sich nicht in die Thematik "eingelesen" hat, weiß lange nicht, worum es eigentlich geht.

In einem Interview sagte Follett einmal, er schaue stets "nach den realen Quellen der Gesellschaftskonflikte, den echten Veränderungen, die die Menschen zwingen, sich zu entscheiden". Er setze seine Helden "gerne mitten in diese Zeit des Wandels". Wofür in einem raumgreifenden Roman ausreichend Platz ist - für die Zwischentöne jener, die zum Lager der "Fortschrittlichen" gehören, oder jener, die alles beim Alten belassen wollen - fehlt im Film natürlich die Zeit. Dadurch wirkt das Böse manchmal zu böse und das Gute manchmal zu gut.

Den Schauspielern, unter ihnen die Britin Miranda Richardson und die aus der Serie "Sex in the City" bekannte US-Darstellerin Cynthia Nixon, ist kein Vorwurf zu machen. Vor allem die Frauen verstehen es, ihren Figuren Profil zu geben. Hervorzuheben ist die in Berlin lebende österreichische Schauspielerin Nora von Waldstätten, bekannt aus dem Tatort "Herz aus Eis". In dem Krimi hatte sie eine gefühllose und mordende Internatsschülerin gespielt. Als Tagelöhnertochter Gwenda überzeugt sie in "Die Tore der Welt" mit ihrer ausdrucksstarken Mimik.

Es mag im Sinne Folletts sein, dass die weiblichen Personen eindrucksvoller und überzeugender spielen als ihre männlichen Gegenüber. Frauen seien die zentralen Figuren seiner Bücher, sagte der Autor einmal und fügte hinzu: "Man schreibt doch immer über die Art von Frauen, die man mag. Ich entwerfe starke Heldinnen, weil sie mich interessieren."

Die Verfilmung von "Die Tore der Welt" ist die aufwendige wie handwerklich solide Umsetzung eines detailreichen Romans, die gut in vorweihnachtliche Winterabende passt. Farbenfrohe Kostüme, detailreiche Marktszenen und stimmungsvolle Sonnenuntergangsbilder - es gibt viel zu sehen. Leider auch einige unnötige brutale Szenen. Warum der Zuschauer mittels einer Nahaufnahme dabei sein muss, wie einem verletzten Ritter der Pfeil aus dem Arm gezogen wird, dürfte das Geheimnis der Filmemacher bleiben.

"Die Tore der Welt" heute, 20.15 Uhr, Sat.1. Teile 2, 3 und 4 am 4., 10. und 11. Dez., jew. 20.15 Uhr