Das Hamburger Museum für Völkerkunde reist mit “Samoa, Perle des Pazifiks“ unter Palmen. Ausstellung bis zum 17. Feburar 2013.

Hamburg. Europäer stellen sich die Südsee als einen paradiesischen Ort vor. Mit ihrem azurblauen Wasser, dem sagenhaft kristallklaren Licht, der saftig grünen Natur, den zu wohliger Trägheit ladenden Temperaturen und den wunderschönen Frauen. Vor allem die Menschen aus dem kühlen Norden blicken seit Jahrhunderten mit sehnsuchtsvollem Blick auf Polynesien, dieses gewaltige Dreieck, das sich mit seinen Inselgruppen von Hawaii im Norden bis Neuseeland im Südwesten und der Osterinsel im Südosten erstreckt.

Ihr Zentrum bilden die Samoa-Inseln. Reisende rühmen ihre Schönheit, die Faszination von Land und Leuten. Dabei weiß man über die Bewohner eigentlich wenig. Seit 50 Jahren ist Samoa unabhängig, Die westlichen Inseln der Samoa-Gruppe waren von 1900 bis 1914 deutsche Kolonie, anschließend wurden sie von den Neuseeländern verwaltet, bis sie 1962 die Unabhängigkeit erlangten. Es existiert ein hochkomplexes Häuptlingssystem. Darunter schottet man sich gern ab und lässt sich nicht in die Karten schauen.

Ein wenig Licht ins Dunkel will die Ausstellung "Samoa - Perle des Pazifiks" bis zum 17. Februar 2013 im Hamburger Museum für Völkerkunde bringen. Die fast 300 Objekte stammen sämtlich der hauseigenen Sammlung, darunter etliche, die noch nie zuvor zu sehen waren. Wer sie begutachtet, stößt auch auf eine überraschend enge Verbindung Samoas zu Hamburg.

Es begann wie so häufig mit dem Handel. Als Pionier gilt hier vor allem der Hamburger Kaufmann Johan Cesar VI. Godeffroy, genannt der "Südseekönig", der 1857 im Südpazifik aktiv wurde und auf Samoa Kokosplantagen betrieb. Zahlreiche hanseatische Kaufmannsfamilien folgten seinem Beispiel, trieben Handel, bereisten Samoa, viele Händler heirateten - und blieben. Einige Familien haben sogar samoanische Prinzessinnen in ihren Reihen.

Derzeit wohnen offiziell fünf Samoaner in Hamburg. Etwa 80 reisten aus ganz Europa zur Ausstellungseröffnung an. Frank Keil, Besitzer der größten Fernsehstation Samoas, nutzt seinen Besuch, um Gelder für den Erhalt eines historischen Gerichtsgebäudes - einem Holzbau aus der Zeit von Kaiser Wilhelm II. - in der Hauptstadt Apia aufzutreiben. Auch dieses Projekt ist in der Ausstellung dokumentiert.

Zahlreiche historische Fotografien künden von dem deutsch-samoanischen Kapitel der Kolonialgeschichte. Zu sehen sind Alltagsszenen, offizielle Feiern sowie touristische Impressionen. Viele Männer, aber auch Frauen, tragen den traditionellen Tuiga-Kopfschmuck und Ketten aus Pottwalzähnen. Eine der ältesten Studioaufnahmen zeigt einen sitzenden Europäer neben einem Samoaner, der aber den Versuch des Europäers, sich dominant in Szene zu setzen, torpediert, indem er sich lässig auf ihn stützt.

Ausgestellt ist ebenfalls ein Modell der traditionellen, mit Flechtverkleidung bedeckten Rundhäuser. Deren Offenheit korreliert mit einer erstaunlichen Verschlossenheit der Menschen über ihre Lebensverhältnisse. Einblicke in ihren Alltag geben feine, höchst kunstvolle handgefertigte Matten, Flechtarbeiten, allerlei Kunsthandwerk, Kawa-Schalen, in denen auch mal leicht berauschende Getränke dargereicht wurden, sowie prachtvoll gemusterte Tapa-Kleidung.

Diese wird aus Rindenbaststoffen gefertigt, und in der Ausstellung finden sich außergewöhnliche Stücke, die sich zur Geheimniskrämerei der Bewohner bestens fügen. Das prachtvolle Ursprungsmuster ist bei einigen unter einem dunklen Farbauftrag fast komplett verschwunden. Ein Kleid, an dem dessen Näherin über vier Monate gesessen haben mag, ist bis auf den fixierenden Heißkleber sämtlich aus Bestandteilen der Kokospflanze hergestellt.

Exponate von Würdenträgern wie Fliegenwedel und Sprecherbuch künden davon, wie sich die Redner im formellen Sprachgebrauch schulen. Den obersten Häuptling zeichnet, anders als man das landläufig erwartet, nicht autoritäres Gebaren, sondern vor allem ein Ethos des Dienens aus. Ähnlich wie Klima, Menschen und der vermeintlich arbeitsfreie Lebensstil idealisierten die Europäer damals die friedlichen Zustände im Inselstaat. Dabei waren auch die Samoaner ein durchaus kriegerisches Volk. Eine Vitrine mit teils martialisch verzierten Keulen aus Hartholz erzählt von den Zerwürfnissen mit den Nachbarinseln wie Tonga und auch zwischen den zahlreichen Familienclans auf Samoa selbst.

Zwei sogenannte Tanzaufsätze, eine Art figuraler Kopfputz, stechen in einer hinteren Vitrine ins Auge. Sie würdigen die skandalumwitterte Persönlichkeit von Emma Forsayth-Coe, genannt "Queen Emma" und ihrer weniger rebellischen Schwester Phoebe Coe, angefertigt von Bediensteten, die der Bevölkerungsgruppe der Sulka angehörten. Als Tochter eines amerikanischen Walfängers und einer samoanischen Prinzessin legte die Unternehmerin Forsayth-Coe einen beispiellosen gesellschaftlichen Aufstieg von einer "Eingeborenen" zur zentralen Figur der feinen Südseegesellschaft hin. Queen Emma zog später nach Neubritannien, um dort florierende Plantagen zu begründen. Tatsächlich finden sich am Ende der Ausstellung allerlei touristische Devotionalien, recht hübscher Kunsthandwerkskitsch, tonnenweise Schmuckstücke und natürlich Erinnerungs-T-Shirts. Eines trägt die Aufschrift "Where the hell is Samoa?" (Wo zur Hölle ist Samoa?). Derzeit in Hamburg. Mitten im Museum für Völkerkunde.

"Samoa - Perle des Pazifiks" 3.12.2012 bis 17.2.2013, Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64, Di-So 10.00-18.00, Do bis 21.00; www.voelkerkundemuseum.com