Der Choreograf William Forsythe ist mit seiner Company auf Kampnagel zu Gast und präsentiert “I Don't Believe in Outer Space“.

Kampnagel. William Forsythe präsentierte zuletzt beim Internationalen Sommerfestival 2010 seine Hüpfburg "White Bounty Castle" in den Deichtorhallen. 15 391 Besucher probierten das Fliegen und Schweben im weißen Kunststoffschloss. Ein enormer Erfolg für die kurze Ausstellungszeit von vier Wochen. Nun zeigen der amerikanische Choreograf und die Company nach längerer Hamburg-Pause die Tanzperformance "I Don't Believe in Outer Space".

"Ich war auch in den Deichtorhallen und bin da mit den Leuten gesprungen", sagt Forsythe. Um 12.02 Uhr ist die Telefonleitung frei. Er plant 15 Minuten für das Gespräch. Timing ist ein großes Thema für ihn. "Das war bisher die schönste Präsentation für 'White Bouncy Castle'", erinnert er sich. "Es gab keinen schöneren Ort, das muss ich ehrlich sagen. Die Größe, die Farbe der Halle und die viele Luft drum herum passten wunderbar."

Reagierten die Hamburger anders als Besucher der Ausstellungen zuvor? "Nein, sie alle reagieren gleich, betreten die Hüpfburg, und dann fangen sie an, absurde Bewegungen zu machen." Mit seinen choreografischen Objekten, wie Forsythe seine Installationen nennt, will er befreiend auf Menschen wirken und ihnen körperlich Mut machen. Zu Tänzern würden sie deshalb allerdings nicht, wie er betont. "Die Leute sind aber Teilnehmer an einem choreografischen Ereignis."

Seine Tanzstücke gelten dagegen als avantgardistisch und schwer verständlich. "Die Leute tendieren dazu, das mit einer Prüfung in der Literaturklasse zu verwechseln", sagt er amüsiert. "Sie sollen es doch einfach nur anschauen, deswegen heißen sie doch Zuschauer. Sie sind keine Interpreten, sonst würde es Interpretenraum heißen." Außerdem sei "Outer Space" nicht so experimentell. "Es ist sehr unterhaltsam, very entertaining", sagt der Choreograf und bekennt: "Ich komme aus dem Entertainment, wollte ursprünglich zum Musical. Ich begann in einer Ballettklasse und bin geblieben."

Überraschung, denn Forsythe gilt als "Dekonstrukteur", der die Ballettkunst neu erfand. "Aber ich habe nie ein Problem mit Ballett gehabt. Im Gegenteil: Ich sah einfach, dass es noch viele weitere Möglichkeiten außerhalb des akademischen Codes gab. Meine Bewegungssprache entspringt aus dem Körper. Man tanzt, man spürt, man macht." Er denke gar nicht mehr so kritisch theoretisch wie früher, suche aber für jedes neue Stück nach einer speziellen Methode und einem Theateranlass.

Für "Outer Space" sollten die Tänzer mit verbundenen Augen ihren Wohnraum erkunden. "Sie lernten sie blind auswendig, daraus entstanden die Bewegungssequenzen für das Stück." Außerdem beschäftigten ihn die Übermacht der Klischees und der kulturelle Schrott. "Was bleibt denn im Leben übrig?", fragt er. "Oft sind es doch die dummen, banalen Dinge und nicht die tiefen philosophischen Momente." Und die schwarzen Kugeln auf dem Boden? "Das ist der Abfall von der Bühne. Es sind die Klebebänder zwischen den Bahnen des Tanzteppichs, die bei jedem Abbau übrig bleiben. Sie werden gerollt und als Bühnenbild verwendet. Es ist sozusagen ökologisch."

Ein typisches Merkmal für Forsythes Choreografien ist sein Eingreifen in den Vorstellungsablauf. "Ich bin der Dirigent, stehe hinten am Pult, leite Licht, Ton und Bühne. Es hat alles mit meinem Timing zu tun. Ich achte natürlich auf die Zeichen der Tänzer, aber ich bin derjenige, der entscheidet, wann eine Szene endet und die nächste beginnt. So verändern sich die gleichen Aufgaben immer etwas und jede Aufführung." Vom Zeitplan hängen auch die seltenen Hamburg-Gastspiele ab? "Es ist schwierig, einen Termin zu finden. Wir sind international unterwegs. Nach vielen Anläufen freuen wir uns nun, dass es auf Kampnagel geklappt hat."

Es ist 12 Uhr und 17 Minuten. 15 Minuten, exakt. Als "Dirigent" des Dialogs beendet Forsythe das Frage-und-Antwort-Spiel. Der Choreograf ist eben ein unschlagbarer Meister im Timing.

"I Don't Believe in Outer Space" Do 29.11.-Sa 1.12., 20.00, Kampnagel (Bus 172/173), Jarrestr. 20, Karten zu 8,- bis 32,- unter T. 27 09 49 49