Schauspielerin Sandra Borgmann hat mit dem Abendblatt über ihren Beruf, die Arbeit mit Regisseuren und das Leben in Hamburg gesprochen.

Hamburg. Sandra Borgmann ist an der schönen dunklen Stimme und ihrem breiten Lachen zu erkennen. Ansonsten ist es eher schwierig, die seit 2005 in Hamburg lebende Schauspielerin in ihren unterschiedlichen, oft extremen Rollen auszumachen. Allerdings gehört sie nicht zu den Verstellern der Branche. Borgmann bleibt auf rätselhaft selbstverständliche Weise sie selbst. Und kommt auf der Leinwand oder dem Fernsehschirm doch immer wieder überraschend "anders rüber". Sie war das lesbische Punkgirl oder die Mutter, deren Kind starb ("Unter dem Eis"). Sie kann die komische "LottoKönigin" aus der Ruhrpott-Arbeiterfamilie sein, das graue Mäuschen ("Nachtschicht") oder die attraktive Mieze. Nun ist sie als Ella, die auf rätselhafte Weise verschwindende "Schwester" von Heike Makatsch in Hendrik Handloegtens seltsam undurchsichtigen Thriller "Sechzehneichen" zu sehen.

Leger in Pullover und roten Hosen durchquert Sandra Borgmann das Hotelfoyer. Obwohl sie ursprünglich vom Theater kommt, an der Essener Folkwang-Schule Schauspiel studierte, ist das Stadttheater nicht ihr Zuhause. Natürlich ist der "Auftritt" als unauffällige junge Frau Tarnung für eine eigenwillige Künstlerin und die Mutter eines dreieinhalbjährigen Sohnes. Borgmann schätzt - wie im Gespräch rasch deutlich wird - ihre Freunde, ihre Freiheit und klare Meinungen.

Zum Beispiel über Regisseure und das Erarbeiten von Rollen. "Ich schlüpfe in keine Rolle hinein", sagt sie amüsiert. "Sie existiert ja noch gar nicht. Was ist eine Rolle? Eigentlich gedruckte Buchstaben auf weißem Papier. Die lese ich, immer wieder. Damit fängt es an." Sie denke sich auch nichts aus. "Ich lasse beim Probieren am Set die Dinge sich entwickeln und dann passieren oft ganz andere Sachen, als im Drehbuch stehen." Ein Beispiel: Im Kölner "Tatort" spielte sie eine Frau, die vom Doppelleben ihres Mannes mit zweiter Familie erfährt. "Ich fing im kritischen Offenbarungsmoment zu lachen an. Das stand nicht im Skript, war die gegenteilige Reaktion. Erst als ich der anderen Frau gegenüberstand, verlor ich die Fassung." Sich von sich selbst überraschen zu lassen, das liebe sie an ihrem Beruf. "Wenn sich in der Arbeit Dinge ergeben, mit denen niemand gerechnet hat, das macht mich glücklich." Schauspieler zu sein bedeute zu riskieren, auch manchmal ohne Netz zu balancieren. "So scheitert man natürlich auch immer wieder. Regelmäßig eigentlich. Aber dafür wird's umso spannender."

Beim Aussuchen der Rollen entscheidet sie je nach der Lebenssituation. "Was heute richtig ist, stimmt vielleicht in einem halben Jahr nicht mehr." Das sei ein Riesenluxus. "Ich muss nicht so viel arbeiten, habe viel Zeit für meinen Sohn. Wenn ich drehe, nehme ich ihn manchmal mit, oder er bleibt beim Vater." Drei Faktoren seien bei der Wahl wichtig: "Rolle und Drehbuch, dann Regie und Bezahlung. Zwei davon müssen stimmen."

Die Qualität der Arbeit habe viel mit den Regisseuren zu tun. "Es gibt einige, mit denen ich wahnsinnig gern gearbeitet habe, die viel zur Arbeit beitragen. Es gibt auch ein paar, mit denen ich nie wieder arbeiten möchte." Wann wird es denn schwierig? "Manche Regisseure haben Angst vor Schauspielern. Tatsächlich. Andere rächen sich dann an ihnen und saugen sie einfach aus." Beim Theater sei Letzteres öfter anzutreffen als beim Fernsehen. "Beim Theater arbeiten Regisseure in einem Raum, der sie schützt. Niemand sieht, was sie tun. Wenn sie ihren eigenen Seelenhaushalt nicht im Griff haben und die Schauspieler in der Hierarchie kurz unterm Haustier stehen, wird's unangenehm." Einer der Gründe, warum sie keine Lust habe, am Stadttheater zu spielen.

Und wie fühlt sie sich in Hamburg? "Ich kannte es vom Drehen. Die Elbe und der Hafen sind wunderschön. Die Verbindung von Wasser und Metall ist auch sehr Ruhrpott. In Köln waren die Menschen großartig, aber es war mir auf die Dauer zu eng." Hamburg sei größer, weiter, windiger, außerdem wohnten hier gute Freunde. "Verrückt, dass gerade ein Mensch wie ich in dieser Kaufmannsstadt gelandet ist. In einer Stadt, wo Status so wichtig ist. Ich bin auch noch niemals so vielen Menschen begegnet, die so viel über ihre Arbeit sprechen. In NRW hingegen gibt es die Zeit zu arbeiten, und dann sagt man: Was machen wir jetzt, Freunde?" Die Kontaktaufnahme sei auch eine ganz große Sache. "Wozu man im Ruhrgebiet zwei Tage braucht, dafür benötigt man in Hamburg ungefähr zwei Jahre."

"Sechzehneichen" Mi 28.11, 20.15, ARD