Das Sat.1-Drama “Mit geradem Rücken“ steht in der Tradition zahlreicher Hamburger Produktionen über die Hotellerie und spielt im Atlantic.

Wer schreitet so tapfer von Spind zu Spind? Es ist die Hella, sie jagt die Sünd. Erlkönig - lass den Spott stecken. Am Sat.1-Drama "Mit geradem Rücken", das heute Abend wacker und korrekt - der Titel ist Programm - einen schweren Fall von sexuellem Haltungsschaden auffährt, gibt es nichts zu meckern. Ann-Kathrin Kramer als Oberzimmermädchen Hella im Grandhotel stellt den Frauenbelästiger, und der ist der Direktor (Kai Wiesinger). Nur, dieser kleine Höhepunkt sozial engagierter Fernsehkunst bereitet dem stil- und traditionsbewussten Hamburger Beklemmung. Denn die Jagdszenen ereignen sich in den Personalfluren des Hotels Atlantic Kempinski. Die Alster als Strom des Lasters.

Gewiss, die Kunst ist frei, und wer reserviert, darf servieren, was er will. Aber es gibt Verbindungen zwischen Fernsehfantasie und Wirklichkeit. Da kann etwas hängen bleiben. Leibhaftig und erlebbar sind die freundlichen Mitarbeiter, die Freude am seriösen Ambiente, der Portier mit dem Zylinder, die wahrhaftige Erotik eines perfekten Services. Aber was richtet die Realität schon aus, wenn einen aus dem TV-Unbewussten, gewissermaßen von einem Trans-"Atlantic" her, die fiktionalen Flashs anspringen: Liegt hinter den Türen zu den Eingeweiden der emsigen Servicemaschine womöglich ein geheimes Sodom? Kommt nicht Gourmand von Gomorrha, Sommelier von somnambul? Schon gut. Aber nichts ist heute gegen mediale Fantasmen gefeit. Und das ist im Fall Hamburg ungerecht. Hotellerie und Fernsehdrolerie hatten eigentlich in der Hansestadt immer ein gutes Verhältnis. Am Anfang war die Ehrfurcht. Der Hamburger Kaufmannssohn Jürgen Roland entdeckte im Nachkriegsdeutschland, als Fernsehen noch aus dem Bunker am Heiligengeistfeld kam, die mediale Attraktivität der Edelherbergen: "Was ist los in Hamburg" hieß die frühe NWDR-Versuchssendung, ein Stelldichein des in Hotels logierenden fahrenden Volks der Prominenz. Unvermeidliche Opernsänger, Filmgrößen, Boxer - Hamburg, das wieder Tor zur Welt werden wollte, spürte früh, dass es dazu Hotelbetten zur Welt brauchte. Ein weiterer Meilenstein zur medialen Erschließung der mythischen Verbindung von Mensch mit Hotel ereignete sich denn auch folgerichtig in Hamburg. Hier entstand die ZDF-Serie "Girlfriends" - ein Durchbruch. In sieben Staffeln, von 1995 bis 2005, gelang es, nach der Konzeption von Drehbuchautor Christian Pfannenschmidt und der heutigen Produzentin Jutta Lieck-Klenke, das Genre vom Alpenalb zu befreien. "Ein Schloss am Wörthersee" (1990 bis 1992, mit Roy Black und Pierre Brice) und später "Schloßhotel Orth" standen mit allen Hufen in der Tradition des unverwüstlichen "Weißen Rössels". In "Girlfriends" aber entstand eine modernere Gegenhotelwelt. Liek-Klenke und Pfannenschmidt hatten von dem Serienhotel "St. Gregory" im Herzen von San Francisco gelernt - die Serie "Hotel" lief zwischen 1983 und 1988 -, dass das dynastische "Dallas"-Prinzip dem telegenen Berherbergungswesen guttat.

Hotel in "Girlfriends" war wie richtiges Arbeitsleben. Dann, 2005, zog das Genre um, nicht weit, vom Fleet an die Außenalter ins Grandhotel Atlantic.

Hier buchten sich nun die schrägen Typen ein - der Geist von Vicky Baum kehrte zurück. In "Liebe versetzt Berge" turnte Götz George als lebenswunder Fischhändler auf dem Atlantic-Dach herum. "Eine Nacht im Grandhotel" inszenierte 2007 Thorsten Näter als alkohol- und parfumgesättigtes Drama um einen Hoteldetektiv (Uwe Kockisch), der eine dunkle Vergangenheit hat. Der Wille, dem Hotelbetrieb ein wenig Flair und Eleganz abzugewinnen, trat immer mehr hinter der künstlerischen Anstrengung zurück. "Mit geradem Rücken" zeigt die Entwicklung ins Dunkle. Die Atlantic-Tristesse fällt umso mehr auf, als Anfang des kommenden Jahres das Hotel Adlon in einem ZDF-Dreiteiler ganz groß herauskommt. Uli Edel hat sieben Jahrzehnte deutsche Geschichte inszeniert, die Historiensoße trieft, Josefine Baker fährt mit einem vom Vogel Strauß gezogenen Gefährt vors Adlon.

Der werblich nutzbare TV-Mythos hat den Standort gewechselt. Höchstens das gute Fernsehen bucht noch Hamburg, der Glanz berlinert. Na, wartet ab. Der Strauß erlitt nach dem Adlon-Dreh einen Herzinfarkt, das Hamburger TV-Atlantic ist dagegen moralisch wieder sauber. Dank Hella.

"Mit geradem Rücken ", heute, 20.15 Uhr, Sat.1