Die Farce “Lögen hebbt junge Been“ im Ohnsorg-Theater ist der reine Wahnwitz und zum Brüllen komisch

Hamburg. Dem Mann bleibt die Luft weg. Schock. Die Stimme versagt ihm. Haben sich doch die Kinder seiner beiden Frauen per Internet zu einem Treffen verabredet. Das muss Taxifahrer Gunnar um jeden Preis verhindern. Der zwischen den Familien in Barmbek und Bramfeld hektisch pendelnde Bigamist droht - nach 18 Jahren Doppelleben! - aufzufliegen. Busenfreund Ralf soll in die Bresche springen.

Was sich zwei atemlose Stunden lang in Ray Cooneys Farce "Lögen hebbt junge Been" abspielt, ist der reine Wahnwitz wider alle Wahrscheinlichkeit. Aber der zum Brüllen komische Wahnsinn tobt so ernsthaft und überzeugend gespielt mit um die Wette schlagenden Türen und permanent klingelnden Telefonen über die Ohnsorg-Bühne, dass die Zuschauer vor Lachen japsen und die schadenfrohen Kichertränen nur so kullern. Am Schluss feierte das Premierenpublikum Regisseur Folker Bohnet und das mit vollem Einsatz spielende Ensemble mit Bravorufen und frenetischem Beifall.

Erkki Hopf gelingt als Günni zwischen den Fronten und den beiden Ehefrauen Katrin (Beate Kiupel) und Frauke (Meike Meiners) ein immer haarscharf vom Absturz bedrohter Drahtseilakt über dem Abgrund der Lüge. Er ist deshalb so komisch, weil er den von blanker Verzweiflung gejagten Mann zeigt. Er mimt einen chinesischen Gastronomen am Telefon, stellt sich tot oder stülpt sich einen Blumentopf über den Kopf. Und macht all das nur, um unerkannt zu bleiben.

Doch die Kinder bleiben hartnäckig. Weder Tina (Joanna Semmelrogge) noch Nils (Jan Frederik Seeler) lassen sich so leicht abwimmeln. Das unschuldig eingesperrte Gör setzt sich mit Tritten zu Wehr gegen den "alten Knacker" von Vater. Und dessen Freund Ralf hat alle Hände voll damit zu tun, Nils und seine Neugier, die beiden Frauen und noch seinen tüdeligen Paps (Wolfgang Sommer) in Schach zu halten. Er verstrickt sich immer tiefer im Netz seiner Ausreden und Rollenspiele als lebender Anrufbeantworter, Sexanrufer oder schwuler Päderast, für den der unschuldige Nils den vermeintlichen "Boyfriend" geben muss, ohne dass der eigentlich so recht checkt, was da abgeht. Zauberhaft, wie Seeler, der Sohn des Intendanten, diese zweideutige Rolle einfach und ehrlich hinbekommt. Und auch Joanna Semmelrogge, das zweite "Theaterkind" im Ensemble, fügt sich trotz ihrer Jugend frisch, unverstellt und natürlich Platt sprechend ins rasante Verwechslungs- und Verwirrspiel.

Folker Bohnet, ein Meisterregisseur der Komödie mit sicherem Gespür für Gags und Pointen, für Timing und überraschende Situationskomik, hält den Wahnsinn zügig am Laufen und schlägt dabei immer wieder mit den Schauspielern verblüffend komische Haken. Als Frau Nummer zwei (die in Bramfeld) in Gegenwart von Frau Nummer eins auf dem Handy anruft, befördert Gunnar es mit elegantem Rückwärtswurf an Freund Ralf weiter. Szenenapplaus. Horst Arenthold ist Hopf ein so zuverlässiger wie komödiantisch ebenbürtiger Partner in der Patsche.

Alles an diesem echt unterhaltsamen Abend stimmt. Kay Kuppas witzige und wortspielerisch pointierte Übertragung von Ray Cooney Farce ins Niederdeutsche. Katrin Reimers' Einheitsbühnenbild, das zwei Wohnungen simuliert und doch mit dem Sofa in der Mitte ein Raum bleibt. Das ermöglicht den beiden Familien flott aneinander vorbei und zugleich miteinander zu agieren. Schließlich treiben sie das Spiel so auf die Spitze, dass Katrin endgültig die Nerven reißen und sich Beate Kiupel mit gezücktem Messer auf die Mitspieler stürzt. Die brave Mutti aus der Küche mutiert zum Hausdrachen.

Als Gunnar aufgeben und schließlich einsehen muss "Das Spiel ist aus!", geht es noch munter weiter. Seine verlorene Partie münzen die beiden Frauen zu einem überraschenden Sieg um und machen spöttisch klar: Wenn sich Männer mit ihren Lügen im Vorteil wähnen, haben sie schon längst den Kürzeren gezogen.

"Lögen hebbt junge Been" bis 12.1. 2013, Ohnsorg-Theater, Karten unter T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de

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