Das Pantomimen-Duo Cie. Bodecker & Neander präsentiert sein visuelles Konzert “Bonjour, Monsieur Satie“ und erfreut jung und alt.

Forum. Die Anfangszeit ist für die Zielgruppe unglücklich gewählt. Um 20 Uhr gehören Kinder so langsam ins Bett und nicht in einen Zuschauerraum in der Stadt. Aber was für Kinder gut gemacht ist, sollte auch ihren älteren Geschwistern und Erwachsenen Freude bereiten. Und die Vorstellung "Bonjour, Monsieur Satie", die die Cie. Bodecker & Neander an diesem Sonnabend im Forum der Musikhochschule gibt, ist ja vor allem die Zugabe zu einem Workshop, den die beiden Fachleute für Musikvermittlung dieser Tage mit Studierenden der HfMT und Gästen im Rahmen einer Tagung des Netzwerks Junge Ohren veranstaltet haben.

Alexander Neander und Wolfram von Bodecker sind Absolventen der "École Internationale de Mimodrame de Paris Marcel Marceau" und stehen seit 16 Jahren gemeinsam als Cie. Bodecker & Neander auf der Bühne - das Cie. steht, ganz französisch wie beim Ballett, für Compagnie. Neander ist in Paris geboren, aber in Stuttgart aufgewachsen, von Bodecker kam in Schwerin zur Welt. Beide sind Anfang 40.

Die Vermittlungsmarktlücke, die sie geschaffen haben und höchst charmant besetzt halten, nennen sie Visual concert. Ein visuelles Konzert stellen wir uns als Ereignis vor, das den Augen mehr Futter bietet als der Anblick eines Dirigenten von hinten und eines Haufens Musiker von vorn oder im Profil, die auf der Bühne ihrer Arbeit nachgehen. Vielleicht ist das der gröbste Nenner, auf den sich jede Musikvermittlung bringen lässt: Dass die Kunst der Klänge heute mindestens einen Sinn mehr ansprechen muss als nur das Gehör.

Als Demonstrationsobjekt ihrer pantomimischen Künste, zu denen sich Schattenspiel, Film und Schwarzes Theater gesellen, haben die beiden Künstler Erik Satie (1866-1925) erkoren. Zu behaupten, dass dieser Komponist fürs Näherbringen seiner Musik über den (Um-)Weg der Augen besonders geeignet sei, ist absolut gerechtfertigt. Schließlich hatte Satie zur bildenden Kunst eine mindestens so innige Beziehung wie zur Musik. Seine besten Freunde in Paris waren Künstler wie Francis Picabia, Jean Cocteau oder Man Ray, der über den hinreißend schrulligen, in jedem Lebensbereich gründlichst verschrobenen Satie sagte, er sei "der einzige Musiker, der Augen hatte".

Viele der Notenblätter, die Satie beschrieb, sind kalligrafische Kostbarkeiten. Er lebte in einer Zeit und unter Umständen, in denen das handschriftliche Verfassen einer aus sechs Zeilen bestehenden Mitteilung an einen Freund gern den Großteil eines Tages in Anspruch nehmen durfte. Die Buchstaben sahen dann auch entsprechend prachtvoll aus - wie die eines Mönchs, der in klösterlicher Abgeschiedenheit biblische Texte kopiert. Satie veröffentlichte ein Journal, dessen einziger Leser er war, er schrieb Musik, deren Aufführung er verbot, er komponierte Takte, die über viele Stunden hinweg wiederholt werden sollten. Satie war Dada, Satie war surreal, Satie war abgedreht in einem Maße und mit einer Konsequenz, die bis in unser Jahrhundert hinein Bewunderer, Verehrer und Liebhaber findet. Zu seinen geistigen Erben zählt John Cage, und wo sich die Minimal Music amerikanischer Provenienz nicht an repetetiven Formen außereuropäischer Musik orientierte, sondern auch an abendländischen Vorbildern, stand der Name Satie ganz vorn. Kinder, was für ein toller Künstler das war!

"Bonjour, Monsieur Satie" Sa 17.11., 20.00, Forum der Hochschule für Musik und Theater (U Hallerstr., Bus 15, 109), Harvestehuder Weg 12, Karten zu 8,-/erm. 6,-: T. 45 33 26 u. T. 44 02 98