Der junge Lette Ainars Rubikis dirigierte die Symphoniker in der Reihe “Vielharmonie“

Hamburg. Es gibt einen Meinungsstreit unter Musikern, der den andächtigen Laien schon mal verwirren kann: Hat ein Orchester per se einen spezifischen, dunklen, womöglich gar "deutschen" Klang wie es so mancher Mythos will? Weniger autoritätsgläubige Zeitgenossen fegen derlei Legenden gern vom Tisch und sagen: "Der Dirigent bestimmt den Klang des Orchesters."

Das erste Konzert der Symphoniker in ihrer Reihe "Vielharmonie" hat den Skeptikern Recht gegeben. Die Musiker bildeten nämlich im Guten wie im nicht ganz so Guten ab, was ihnen der junge Lette Ainars Rubikis anbot.

Schuberts Achte, nach anderer Zählung Neunte, wie auch immer, jedenfalls seine große C-Dur-Sinfonie aufs Programm zu setzen, zeugt von Selbstbewusstsein. Ist doch die Sinfonie ein Paradebeispiel für die "himmlischen Längen" Schuberts, von denen sein Kollege Schumann einst schwärmte - und damit höchst anfällig für durchaus irdische Langeweile.

Ainars Rubikis zeigte sich den Dimensionen des Werks jedoch gewachsen: Er spannte weite Bögen und formte gleichzeitig mithilfe des erfreulich flexibel agierenden Orchesters Details, ohne sich im Kleinteiligen zu verlieren. Haupt- und Nebenstimmen, Akzente, Crescendi und Decrescendi traten deutlich hervor. Eine agile, unpathetische, lebendige C-Dur-Sinfonie war das. Und das ist schon viel.

Weniger wichtig, aber dennoch zu verzeichnen waren die Unebenheiten im Zusammenspiel und in der Intonation. Häufig schlug Rubikis einfach in zu großen Takteinheiten. Schade auch, dass der Streicherklang so uneinheitlich war.

Recht krass zeigten sich diese Schwächen beim einleitenden Adagio und Fuge von Mozart. Viele Auftakte wackelten, und die Celli passten in der Tonhöhe nicht zu den anderen Streichern. Dieses anspruchsvolle Konzentrat hätte mehr Zuwendung verdient.

Es spricht für die Künstler, dass sie den zwiespältigen Eindruck des Konzertbeginns wieder wettmachen konnten. Im Verein mit dem israelischen Pianisten David Greilsammer machten sie aus Beethovens Klavierkonzert Nr. 2 einen Tanz, ein Fest der Kammermusik. Greilsammer spielte so strukturiert und klar, als hätte er Bach vor sich - und breitete zugleich eine fast romantische Farbpalette aus. Bestürzend, wie er nach einem Gewitter in der Kadenz alle Töne nachhallen ließ wie einen Cluster und dorthinein den nächsten piano-Gedanken setzte.

Da schimmerte das 20. Jahrhundert am Horizont.