Der Schauspieler über seine Rolle als bürgerlicher Drogendealer Walter White in der hoch gelobten, global gefeierten US-Serie “Breaking Bad“.

Seine Rolle als Chemielehrer Walter White, der in der Serie "Breaking Bad" zum Drogenbaron wird, machte Bryan Cranston zum Star des globalen Fernsehens. Derzeit läuft auf Arte die vierte Staffel. Mit dem Abendblatt sprach Cranston über kriminelle Sympathieträger und Manipulation im TV.

Hamburger Abendblatt:

Mr. Cranston, sprechen Sie eigentlich Deutsch?

Bryan Cranston:

Nur ein Wort: (sagt auf Deutsch) Nein.

Dann kennen Sie das Wort Spießer nicht?

Cranston:

Leider nein, aber es klingt interessant. Was genau bedeutet es denn?

Es ist die Steigerung des Bürgerlichen zum Ängstlichen und Angepassten.

Cranston:

Dann war ich nie ein Spießer.

Und Walter White, Ihr Chemielehrer auf dem Weg zum Drogenbaron?

Cranston:

Schwer zu sagen. Er war deprimiert von den vergebenen Chancen im Leben, seiner Furcht zu scheitern, von seinem unterdrückten Potenzial. Deshalb ist ein interessanter Aspekt der Geschichte, dass er ausgerechnet Lehrer wurde, denn die sind bei uns zu Hause zutiefst respektiert. Das mag sich nicht unbedingt im Gehalt ausdrücken, aber im guten Ruf. Diese Mischung aus Selbstzweifel und Anerkennung, verpassten Chancen, einem guten Leben und der Art, wie all dies in kürzester Zeit auf den Kopf gestellt wird, macht "Breaking Bad" so erfolgreich.

Das erklärt den Erfolg in den USA, aber nicht den in über 30 Ländern, in denen die Serie als beste aller Zeiten gilt.

Cranston:

Das hat mit Identifikation und Fallhöhe zu tun. "Breaking Bad" ist die Geschichte eines Mannes aus der Mitte der Gesellschaft, der für sein Auskommen und das seiner Familie extrem hart arbeitet, bis sein Leben durch ein Schicksal, das jeden treffen kann, komplett ins Wanken gerät.

Sie meinen Krebs.

Cranston:

Genau. Diesen unvermittelten Sturz aus der Normalität können die meisten Zuschauer so gut nachvollziehen, dass selbst seine Flucht ins Verbrechen, sein Weg zum Drogendealer Walter White kaum Sympathien kostet.

Zumindest in den ersten Staffeln von "Breaking Bad".

Cranston:

Ich glaube sogar fast bis zum Schluss! Seine Methoden sind sicher nicht jedermanns Sache, seine Verzweiflung dagegen schon. Deshalb gilt er bis tief in die vierte Staffel für viele noch als Good Guy. Dieser Widerspruch ist die perfekte Voraussetzung einer guten Serie.

Aber was macht sie zur brillanten?

Cranston:

Dass der Sympathieträger dieser Serie radikaler auf die andere Seite wechselt als in jeder anderen bisher. Walter macht etwas, was für einen Spießer viel zu kühn wäre: Er riskiert etwas, genau genommen sogar alles. Er nimmt also zum ersten Mal sein Schicksal in die eigene Hand, was viele Leute da draußen, die nicht frei über ihr Leben bestimmen, auch gern mal täten.

Würden Sie in seiner Situation auch das Schicksal in die eigene Hand nehmen?

Cranston:

Klar, darin ähneln wir uns. Wobei ich selbst sogar aus der Unterschicht stamme. Natürlich würde ich kein Chrystal Meth produzieren, aber ich würde alles tun, um meine Familie zu retten, wenn sie in Gefahr ist. Darin gleichen sich Walter White und ich am Ende doch. Nur dass er dann in einen Strudel gerät, der ihn immer tiefer ins Verbrechen zieht. Mehr noch als Gewalt oder der Abstieg der Mittelschicht ist das Kernthema der Serie Verführung.

Auch davor wären Sie nicht gefeit.

Cranston:

Das ist niemand. Wenn ich zu Ihnen sage, der Ort, an dem Sie geboren sind, ist einer der schönsten Plätze, an denen ich je war, sind Sie geschmeichelt und kaufen mir danach vielleicht die größte Lüge ab. Man kann Menschen mit den einfachsten Mitteln manipulieren. Menschen sind Manipulatoren. Menschen im Fernsehen besonders. Das ganze Fernsehen ist Manipulation.

Sie sind also auch ein Manipulator?

Cranston:

Das ist mein Job! Wenn ich Walter White spiele, wie ich ihn spiele, manipuliere ich das Publikum, indem ich es einfach gut unterhalte, indem ich es vielleicht zum Nachdenken bringe, indem ich der Gesellschaft durch Walts Werdegang einen Spiegel vorhalte.

Haben Sie sonst noch irgendwas mit ihm gemeinsam?

Cranston:

Nichts, was für die Serie von Bedeutung ist. Was ich bloß spielerisch tue, macht er mit seiner gesamten Existenz: Walter versucht, jemand zu sein, der er nicht sein kann. Dabei geht ihm mit jedem Schritt, mit dem er sich in eine Arena wagt, für die ihm das Rüstzeug fehlt, ein Stück seiner Seele verloren, bis sie im Laufe der Serie so gealtert ist, dass sie ihn langsam von innen zersetzt.

Stirbt Walter in der fünften Staffel?

Cranston:

Das könnte ich Ihnen nicht mal sagen, wenn ich wollte. Selbst wir Schauspieler erfahren erst kurz vorm Drehen jeder Folge, wie sie genau aussieht. Ehrlich! Aber es ist schwer vorstellbar, dass sein Leben nach dem Finale einfach normal weitergeht.

"Breaking Bad", Freitag 22.10 Uhr, Arte