Ex-Kunstvereins-Chef Yilmaz Dziewior sieht in Österreich ein kulturpolitisches Vorbild

Bregenz. Eines ist geblieben für den früheren Leiter des Hamburger Kunstvereins Yilmaz Dziewior: Gleich neben seinem heutigen Arbeitsplatz fahren wie in Hamburg die Züge. Doch sonst ist hier im österreichischen Bregenz alles anders für den Kunsthaus-Direktor. Dziewior residiert am See in einer Pretiose des Schweizer Architekten Peter Zumthor, die mit prominenten Namen wie Ai Weiwei weitaus mehr Besucher als ein Kunstverein anzieht. Kann man sich da noch zurückdenken an die Zeit am Klosterwall, an die Kämpfe ums Geld und andere kulturpolitische Hamburgensien?

Man kann. Erstaunlich gut sogar. Dziewior ist bestens über die Aktivitäten seines Nachfolgers Florian Waldvogel informiert. Besonderes Lob teilt er für dessen Ausstellungsreihe aus, die wenig beachtete Künstlerinnen im Umfeld der Pop-Art wieder an die Öffentlichkeit bringt. Positiv auch seine Erinnerung an die weiten Handlungsräume im Kunstverein, der mehr Experiment zulässt und weniger unter öffentlichem Erwartungsdruck als ein Kunsthaus leidet. Auch die enge Anbindung an die Hochschule oder die Hamburger Nachtszene vermisst Dziewior. Die Erfahrungen mit österreichischer Politik haben ihn allerdings auch in seinen Urteilen hanseatischer Kulturpolitik bestätigt. "In Österreich", begeistert er sich, "ist sich die Politik sehr über die Resonanz im Ausland bewusst. Sie ist hellhörig gegenüber dem Lob der eigenen Kulturinstitutionen und handelt entsprechend." Daran könnte sich auch in Hamburg die Politik ein Beispiel nehmen. "Es kann nicht sein, dass man die Spektakularisierung von Kunst vorantreibt, indem man sich zur Musical-Stadt erhebt. Hamburg könnte mehr aus seinen Kultureinrichtungen machen, zu denen auch Kunstverein und Hochschule zählen." Zu oft, räsoniert Dziewior, "denkt die Stadt, es läuft und verliert dabei das Wissen davon, was man hat. Aber Kunstinstitutionen sind wichtige Faktoren für die Attraktivität einer Stadt. Sie sind Indikatoren der Außenwahrnehmung. Ist sich Hamburg wirklich bewusst darüber, dass Kunst im Ausland so hoch eingeschätzt wird?" Dziewior empfiehlt Maßnahmen wie freien Eintritt, mehr Bindung von Kindern und Familien an die Museen, eine bessere finanzielle Ausstattung.

"Weil das Land lange als ,klein' galt, sind die Anstrengungen in Österreich heute umso größer", so Dziewiors Erfahrung. "Hamburg dagegen galt schon immer als weltoffen. Die Gefahr droht, sich auf den eigenen Pfründen auszuruhen." In Österreich, sagt er, müsse er jedenfalls keinen Überzeugungskampf mit der Politik führen.