Die Kunstmesse für Einsteiger startet: Kunstsammler Harald Falckenberg gibt dazu Tipps und erklärt die Kunst des Sammelns.

Hamburg . Am Donnerstag startet auf dem Hamburger Messegelände die Affordable Art Fair, eine Messe, die Kunst zu niedrigen Preisen offeriert. Sie richtet sich vor allem an Einsteiger und ein junges Publikum. Wir fragten den Kunstsammler Harald Falckenberg nach seinen Erfahrungen und worauf es beim Kauf von Kunst ankommt.

Hamburger Abendblatt: Was halten Sie vom Konzept der Affordable Art Fair?

Harald Falckenberg: Es ist zu begrüßen, dass Affordable Art Fair Kunst einem großen Personenkreis zugänglich macht. Auf den großen Messen wie der Art Basel sind die Preise für Kunst nur noch für wenige bezahlbar. Andererseits wird auch die Affordable Art Fair nicht vom Idealismus geleitet. Hier wie dort geht es ums Geschäft.

Aber dieses Geschäft gehört doch zum Kunstmarkt.

Falckenberg: Selbstverständlich. Als Sammler sollte man aber versuchen, sich von Geschäftsgedanken zu befreien und schon gar nicht zu glauben, dass der Preis den Wert von Kunst bestimmt.

Was würden Sie Einsteigern als goldene Regel raten, die die Affordable Art Fair in den nächsten Tagen besuchen?

Falckenberg: Sie sollten nicht gleich zuschlagen, sondern erst einmal ihren Rundgang machen und feststellen, was alles auf dieser Messe angeboten wird. Man muss auf Messen nicht unbedingt kaufen. Messen dienen auch dazu, dem Besucher einen Überblick über die Kunstentwicklung zu verschaffen.

Wer ist Ihrer Meinung nach der richtige Ansprechpartner für Menschen, die Kunst sammeln wollen?

Falckenberg: Das sind die lokalen Galerien. Wenn man sammeln will, muss man sich über Kunst Gedanken machen, muss die Dinge abwägen, ins Gespräch kommen, sich beraten lassen - und dann erst etwas erwerben.

Ist es heute noch möglich, mit "normalem" Einkommen eine eigene Kunstsammlung aufzubauen?

Falckenberg: Absolut. Es gibt viele niedrigpreisige Arbeiten. Das beste Beispiel sind die Zeichnungen, die für die Arbeit eines Künstlers oft sehr wichtig sind, weil sie persönlichen Charakter haben. Das gilt auch für serielle Arbeiten, etwa Duckgrafiken oder Fotografien.

Ab wann kann man von einer Sammlung sprechen?

Falckenberg: Die einfachste Formel ist: Eine Sammlung fängt an, wenn die Wände nicht mehr ausreichen.

Haben Sie persönlich schon einmal einen Kunstkauf bereut?

Falckenberg: Nein, weil ich mir immer über die Zweischneidigkeit meiner Entscheidungen im Klaren war. Bereuen könnte ich nur, wenn ich von etwas vollkommen überzeugt wäre. Kunstwerke lassen sich nicht ausrechnen. Ich habe deshalb immer Distanz zur Kunst gewahrt und damit auch zu meinen Entscheidungen.

Geschmack und Moden wechseln manchmal schnell. Wie wertbeständig ist aktuelle Kunst?

Falckenberg: Es gibt heute kaum etablierte Stilrichtungen, sodass es schwer ist, aktuelle Kunst zu bewerten. Wenn ich meine Sammlung unter dem Aspekt der Preisentwicklung betrachte, haben nur etwa 20 Prozent einen wirklichen Zuwachs zu verzeichnen. Das ist normal. Deswegen liebt der wahre Sammler die übrigen 80 Prozent nicht weniger.

Wie sind Sie selbst Sammler geworden?

Falckenberg: So richtig ging es erst mit 50 los ...

Aber Sie haben doch vorher schon gekauft?

Falckenberg: Ja, ich hatte schon vorher ein kleine Sammlung mit Hamburger Größen wie Horst Janssen, mit dem ich persönlich befreundet war. Wir haben uns beim Skatspielen überworfen.

Konnte er nicht verlieren?

Falckenberg: Konnte er überhaupt nicht. Wenn er verlor, war er bereit, die Tische umzustoßen. Er bezahlte auch seine Spielschulden nicht. Das waren nur kleine Beträge, über die er sich aber wahnsinnig ärgerte. Zuweilen bekam man später mal eine Zeichnung, mit der dann alles abgegolten wurde.

War die Freundschaft vorbei, als Sie mit dem Sammeln richtig anfingen?

Falckenberg: Da war sie längst vorbei. Ich war 50 und wollte etwas in meinem Leben ändern. Ich wollte mich neben meinem Berufsleben noch mit etwas anderem auseinandersetzen, was mich wirklich interessiert.

Und wie ging das konkret?

Falckenberg: Der Kunstverein brauchte einen Schatzmeister und fragte mich. So wurde ich wunderbar in die junge Gegenwartskunst eingeführt. Wenn der damalige Chef Stephan Schmidt-Wulffen an einem Abend 40 Künstlernamen nannte, kannte ich davon höchstens einen oder zwei. Als Schmidt-Wulffen nach sieben Jahren dann ausschied, kannte ich immerhin 60 Prozent seiner Namen. Das war meine Lehre.

Viele Ihrer Sammlerkollegen wollen ihre Sammlungen möglichst unverändert für die Nachwelt erhalten. Warum sehen Sie das ganz anders?

Falckenberg: Weil ich Kunst nicht als Eigentum verstehe. Die Auseinandersetzung mit Kunst ist, was ich suche. Dabei entwickle ich mich und erweitere meinen Gesichtskreis. Es ist klar, dass andere nach mir manches anders sehen werden. Der Kitt, der meine Sammlung zusammenhält, ist die Tatsache, dass ich mit der Sammlung lebe und mich auch mit ihr auseinandersetze. So etwas lässt sich nicht übertragen. Denn jeder sieht Kunst anders. Und das sollte auch so bleiben.

Goethe wird der Satz zugeschrieben: "Sammler sind glückliche Menschen". Sie sind Sammler, sind Sie auch ein glücklicher Mensch?

Falckenberg: Da müsste man erst einmal Glück definieren. Ich bin kein euphorischer Mensch und will mir auch im Hinblick auf Kunst meine Nüchternheit erhalten. Deshalb möchte ich mit einem Satz des berühmten Hamburger Kunsthistorikers Erwin Panofsky antworten: "Wenn ein Hamburger die Möglichkeit hat, sich zwischen dem Paradies und einem Vortrag über das Paradies zu entscheiden, wird er immer den Vortrag wählen."