1600 begeisterte Fans feiern Herbert Grönemeyer bei seinem Klubkonzert in der Großen Freiheit

Hamburg. Das Gedrängel in der Großen Freiheit 36 ist groß. Kein Wunder, denn hier steht ein Künstler auf der Bühne, der sonst nur in Stadien zu erleben ist. Die Distanz zu 100 Meter entfernten Plätzen wird dort zwar durch Videoleinwände überbrückt, im ausverkauften Kiezklub sind die 1600 Fans jedoch richtig dicht dran. Nur der Graben für die Fotografen trennt sie von Herbert Grönemeyer, dem Ruhrpott-Kumpel, Fußball-Fan und Gutmenschen.

Sie sehen ihn schwitzen und bemerken, dass er sein Haar dünner wird. "Guckt auf meine Beine, die sind gar nicht so schlecht", witzelt er. Die Stimmung im Saal ist von der ersten Minute an euphorisch, fast ein wenig hysterisch. "Was ist denn das für ein Alarm hier", freut sich der Sänger und Schauspieler mit der knödelnden Stimme, die seine deutschen Texte manchmal wie ein fremdes Idiom klingen lassen.

"Blick zurück - 30 Jahre Halbzeit" lautet der Titel von Grönemeyers Klubtournee. Will der Sänger aus dem Ruhrgebiet in 30 Jahren immer noch auf der Bühne stehen? Im Jahr 2042 wäre er 86. An diesem Abend scheint seine Energie jedenfalls grenzenlos zu sein. Vielleicht bedeutet Halbzeit auch nur ein Verschnaufen nach 30 äußerst erfolgreichen Jahren ohne den Blick nach vorn. Mit mehr als 13 Millionen verkauften Alben, die seit 1984 alle Platz eins der Hitparade erreichten, zählt Grönemeyer zu den erfolgreichsten deutschen Popkünstlern. Doch all seine Megahits wie "Männer", "Flugzeuge im Bauch" oder "Mensch" stehen an diesem Abend nicht auf der Setliste.

Bei dieser Klubtour geht es dem 56-Jährigen um all die Songperlen, die auf seinen Alben versteckt und von denen viele in Vergessenheit geraten sind. In dem Kiez-Klub stehen Fans im gleichen Alter wie ihr Idol dicht an dicht mit solchen, die Grönemeyer erst 2002 nach "Mensch", seinem erfolgreichsten Album, entdeckt haben. Daraus singt er "Viertel vor", ein Lied, für das seine Kinder ihn verlacht haben, als er ihnen den Text am Frühstückstisch vorlas. "Aufgenommen habe ich ihn doch", erklärt er ein wenig trotzig. Die älteste Nummer des Abends hat er vor drei Jahrzehnten aufgenommen: "Total egal" ist der Titel seines dritten Albums, das nicht mal die Top 100 der Hitparade erreicht. Damals gab Grönemeyer sein erstes Hamburger Konzert in der Markthalle. "Vor 22 Zuhörern", erinnert er sich. "Hannover war noch schlechter. Da wurde nur eine Karte verkauft und das Konzert abgesagt." Erst "Gemischte Gefühle", ein Jahr später herausgekommen, bringt ihn zum ersten Mal in die Charts. "Kaufen" spielt er daraus, und plötzlich singt das Auditorium mit. Trotz der vielen unbekannten Nummern erweist sich sein Publikum als ziemlich textsicher.

Grönemeyer springt im Programm wild hin und her: von "4630 Bochum" zu "Bleibt alles Anders", von "Ö" zu "Chaos", von "Luxus" zu "Mensch". Grönemeyer genießt die Nähe zu seinen Fans, immer wieder singt er zur Balustrade im Rang hinauf, er reagiert auf Zwischenrufe und erzählt Döntjes. Anders als bei einem Stadionkonzert entsteht in der Großen Freiheit ein kollektives Gefühl, das Publikum und die Musiker gleichermaßen mitreißt. Grönemeyers musikalische Spurensuche mit den alten Nummern funktioniert, und jeder in dem Klub ist überglücklich, an diesem besonderen Abend dabei zu sein. Stadion kann jeder.